Betreff
Ein-Euro-Tagesticket für Busfahrten im Stadtgebiet und 365-Euro-Jahresticket nach Wiener Modell
hier: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 04.10.2019 und E-Mail der Fraktion DIE LINKE&Piratenpartei vom 23.10.2019
Vorlage
355/19
Art
Beschlussfassung öffentlich

1. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (siehe Anlage 1) wird abgelehnt.

2. Die Verwaltung wird beauftragt mit dem Aachener Verkehrsverbund (AVV) Gespräche über die finanziellen Auswirkungen der Einführung eines „Ein-Euro-Tagesticket“ sowie eines „365-Euro-Jahresticket“ nach Wiener Modell und der dadurch zu erwartenden Attraktivitätssteigerung des lokalen ÖPNV-Sektors zu führen und dem Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss darüber zu berichten.

 


Mit Antrag vom 04.10.2019 (Anlage 1) fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Einführung eines „Ein-Euro-Tagestickets“ für Fahrten in AVV-Bussen innerhalb des Eschweiler Stadtgebietes zum 1. Januar 2020 sowie eine unverzügliche Klärung der dafür notwendigen Voraussetzungen und Vorbereitung einer fristgerechten Umsetzung. Analog dazu bittet die Fraktion DIE LINKE&Piratenpartei, mit E-Mail vom 23.10.2019, um einen Sachstandsbericht u.a. zur möglichen Einführung eines „365-Euro-Jahrestickets“ nach Wiener Modell und weiteren alternativen Mobilitätsangeboten im ÖPNV der Stadt Eschweiler.

 

Dazu nimmt die Stadtverwaltung wie folgt Stellung:

 

Die Steigerung des Anteils des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) am Modal-Split, der die Verteilung der Verkehrsmittelnutzung am Gesamtverkehrsaufkommen der Stadt widerspiegelt, trägt sowohl zum Schutz des Klimas als auch zur Verbesserung der lokalen Luftqualität bei. Durch Verlagerung von Verkehr auf den Umweltverbund reduzieren sich die Verkehrsbelastung auf den Straßen und die Nachfrage nach Parkraum.

 

Für die gesamte StädteRegion Aachen übernimmt, mit Ausnahme des Aachener Stadtgebietes, der Aachener Verkehrsverbund (AVV) die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV. Entsprechend der Ausführungen im Nahverkehrsplan 2016-2020 der StädteRegion Aachen sind die Städte und Gemeinden in dessen Verbundgebiet über die sogenannten AVV-Beiräte in dessen Tätigkeiten eingebunden. Die jeweiligen Verkehrsunternehmen, wie z.B. die ASEAG, arbeiten in einem Unternehmensbeirat und in verschiedenen Fachkommissionen mit der AVV GmbH zusammen. Die AVV-Beiräte geben Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Verbundverkehrs im Gebiet des AVV ab. Dementsprechend hat die Stadt Eschweiler selbst keine direkte Zuständigkeit im lokalen ÖPNV.

Die Stadt Eschweiler ist somit nicht selbst für Anpassungsmaßnahmen im Bereich des ÖPNV zuständig, sondern kann lediglich Anregungen, Bedürfnisse und Wünsche im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplans an den AVV weitergeben.

 

Innerhalb des „Eschweilers Klimaschutzteilkonzeptes Mobilität“ (ESKLIMO) ist auch eine Bestandsanalyse des lokalen ÖPNV-Sektors durchgeführt worden, die  die folgenden Ergebnisse liefert: Zehn regionale Buslinien verbinden die Stadt Eschweiler sternförmig mit dem Umland (Aldenhoven, Jülich, Langerwehe, Stolberg, Aachen und Alsdorf). Neben den regionalen Linien gibt es noch sechs Stadtbuslinien, die die Stadtteile erschließen, die nicht von regionalen Linien bedient werden. Ein Abgleich der lokalen Verkehrsverflechtungen mit dem vorhandenen ÖPNV-Angebot zeigt auf, dass ein Großteil der innergemeindlichen Verflechtungen zwischen den Stadtteilen über keine Direktverbindungen im ÖPNV verfügen. Dies ist auf die zentrale Ausrichtung des Eschweiler Busliniennetzes auf den Bushof und den damit häufig verbundenen notwendigen Busumstiegen zurückzuführen. Somit kann es bei Verzögerungen im Betriebsablauf zu einer Gefährdung der Anschlussverbindungen kommen und somit die Attraktivität dieses Sektors mindern.

 

Auf Basis dieser Bestandsanalyse werden im ESKLIMO zahlreiche Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV-Sektors vorgeschlagen, um so letztendlich auch eine Steigerung dessen Anteils am Modal-Split zu erwirken. Hier wird unter anderem auch eine Umgestaltung der Tarifstrukturen als bedeutende Maßnahme genannt. Es ist jedoch zu unterstreichen, dass die Tarifgestaltung, insbesondere auf Kurzstrecken, im Konflikt zwischen Wirtschaftlichkeit für das Verkehrsunternehmen und Bezahlbarkeit für den Kunden steht. Zudem sind unter den lokalen Gegebenheiten für eine Erhöhung des Verkehrsmittelanteils auch unbedingt strukturelle Verbesserungen im ÖPNV-Bereich durch die Anpassung der Taktzeiten und der Linienstruktur notwendig.

 

Zudem liefert das ESKLIMO auch Aussagen zu der Sinnhaftigkeit des Einsatzes von ÖPNV-Sonderformen im lokalen Kontext. Insbesondere in Räumen schwacher Verkehrsnachfrage kommen häufig sogenannte Rufbusse zum Einsatz. Bei dieser alternativen Bedienform für verkehrsschwache Räume werden barrierefreie Kleinbusse in ein Rufsystem eingebunden. Zur dessen Nutzung müssen sich die potenziellen Kunden zunächst registrieren und können dann online oder telefonisch einen Kleinbus bestellen. Dieser holt die Kunden an einer Haltestelle in ihrer Nähe ab und bringt sie an die gewünschte Haltestelle. Auf Wunsch ist auch eine Rückfahrt möglich. Es wird automatisch eine optimale Linienroute und damit auch die Abfahrtszeit berechnet. Auch die ASEAG betreibt in ausgewählten Räumen mit schwacher Verkehrsnachfrage – Monschau und Aachener Süden – ein solches Rufbussystem, den sogenannten NetLiner. In Monschau hat sich dieses Angebot bereits etabliert und wird auch ausreichend nachgefragt. Die Nachfrage im Aachener Süden fällt dagegen gering aus. Das NetLiner-Angebot ist grundsätzlich auch auf andere Teilräume übertragbar. Die beiden Beispiele Monschau und Aachen Süd verdeutlichen jedoch, dass die Nachfrage in Abhängigkeit von den vorhandenen Strukturen und Mobilitätsalternativen unterschiedlich ausfallen kann. Die durchgeführte Analyse der Verkehrsverflechtungen und des vorhandenen ÖPNV-Angebots in Eschweiler lassen keine größeren, zusammenhängenden Bereiche mit geringer Verkehrsnachfrage erkennen, sodass derzeit keine Notwendigkeit für ein NetLiner- Angebot gesehen wird. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des bereits existierenden Angebots des Anruf-Linien-Taxis (ALT) der ASEAG für die gesamte Aachener Region.

 

Allerdings war eine umfangreiche Analyse der bestehenden Strukturen sowie eine fundierte Prognose des zukünftigen Bedarfes nicht Gegenstand des ESKLIMO. Folglich können die hier ausgesprochenen Handlungsempfehlungen den ÖPNV betreffend nicht als validiert angesehen werden und eine Steigerung der Attraktivität gewährleisten. Aufgrund der Komplexität der ÖPNV-Strukturen kann nur ein eigenständiges Bedarfskonzept die zur Anpassung notwendigen Daten liefern. Die Kosten für dessen Erarbeitung liegen laut ESKLIMO schätzungsweise bei rund 40.000 € brutto.

 

In Anbetracht der im ESKLIMO identifizierten Notwendigkeit zusätzlicher struktureller Maßnahmen und der dargelegten Zuständigkeitsverhältnisse wird es als sinnvoll erachtet, mit dem AVV die finanziellen Auswirkungen der Einführung eines „Ein-Euro-Ticket“ mit einer 24-stündigen Gültigkeit zu erörtern und die dadurch zu erwartenden Attraktivitäts- bzw. Nutzungssteigerung zu prüfen. Eine tatsächliche Einführung des „Ein-Euro-Tagesticket“ oder auch alternativer Maßnahmen zur tariflichen Attraktivitätssteigerung des ÖPNV in Eschweiler sind jedoch sehr wahrscheinlich erst Mitte 2020 zu erwarten. Über das Ergebnis dieses Gespräches und die finanziellen Auswirkungen wird der Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss in einer seiner nächsten Sitzungen informiert.

 

Dementsprechend schlägt die Verwaltung vor, den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (Anlage 1) abzulehnen und stattdessen den Beschluss 2. zu fassen.

 


Keine

 


Die Koordination und Durchführung von Gesprächen mit dem AVV bindet personelle Kapazitäten in der Stabsstelle nachhaltige Entwicklung und dem Amt 66.