Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.
In der Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Bauausschusses vom 19.10.2017 war aufgrund einer Anfrage von H. RM Widell seitens der Verwaltung zugesagt worden, hinsichtlich der Abstandsflächen von Spielhallen untereinander sowie zu Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe eine Kenntnisgabevorlage zu fertigen.
In Eschweiler werden folgende Spielhallen betrieben:
- August-Thyssen-Straße 52,
- Bergrather Straße 16,
- Dürener Straße 465.
- Röthgener Straße 34,
- Stich 17,
- Wollenweberstraße 10 – 14,
Darüber hinaus liegt ein weiterer Antrag auf glücksspielrechtliche Genehmigung für einen neuen Betrieb unter der Anschrift Talstraße 63 vor.
Das Ausführungsgesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen [1])
zum Glücksspielstaatsvertrag [2])
ist am 01.12.2012 in Kraft getreten. Gem. § 16 Abs. 3 AG GlüStV NRW soll ein Mindestabstand von 350
Metern Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschritten werden.
Regelmäßig sollen Spielhallen nicht in räumlicher Nähe zu Schulen und Einrichtungen
der Jugendhilfe betrieben werden, wozu das Gesetz die gleiche Entfernung von
350 m Luftlinie vorgibt. Hiervon kann unter Berücksichtigung der Verhältnisse
im Umfeld des jeweiligen Standortes und nach Lage des Einzelfalles abgewichen
werden. Bauplanungsrechtliche Anforderungen bleiben hiervon unberührt.
Zum Stichtag 1.12.2017 benötigen die Spielhallenbetreiber nicht nur eine gewerberechtliche, sondern auch eine spezielle glückspielrechtliche Erlaubnis, was zu entsprechenden Antrags-, Prüfungs- und Genehmigungsverfahren in diesem Jahr geführt hat (§ 24 GlüStV i. V. m. § 16 AG GlüStV NRW).
Abstand der Spielhallen zu Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe
Die als Anlage der Vorlage beigefügten Karten, in denen um die jeweilige Spielhalle ein Radius von 350 m gekennzeichnet wurde, zeigen u. a. die derzeitigen Abstandsunterschreitungen zu den Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen. Festzuhalten ist:
1. Zur Spielhalle Dürener Straße 465 gibt es keine Abstandsunterschreitungen.
2. Die meisten Konkurrenzsituationen ergeben sich bei der Spielhalle August-Thyssen-Straße. Der Betreiber will im Zusammenhang mit den geplanten Veränderungen auf dem Gelände der ehemaligen Eissporthalle diesen Standort aufgeben und an einem anderen Standort eine neue Spielhalle eröffnen, die in Bezug auf die Abstandsregelungen günstiger liegen sollte.
Die Nichteinhaltung der Abstände bei den zurzeit noch fünf betroffenen
Spielhallen hat momentan noch keine Konsequenzen. Für Spielhallen,
die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GlüStV bestanden, und für die vor dem
28.10.2011 eine gewerberechtliche Erlaubnis (§ 33 i Gewerbeordnung [3])
erteilt worden ist, gilt gem. § 29 Abs. 4 GlüStV eine Übergangsfrist von 5
Jahren, die in NRW am 30.11.2017 endet. Ein Betreiberwechsel innerhalb dieser
Frist hebt den Bestandsschutz einer Spielhalle nicht auf. Die Abstandsregelung
zu Schulen pp. gilt aber wiederum nicht für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
des Gesetzes bestehende gewerberechtlich zugelassene Spielhallen. Das trifft
auf alle sechs in der Auflistung enthaltenen, bestehenden Spielhallen zu und
bedeutet, dass sie – ausschließlich auf diese Regelungen bezogen - ungehindert weiter betrieben werden
können, einstweilen bis zum Außerkrafttreten des GlüStV am 30. Juni 2021. Was
ein neuer GlüStV hierzu beinhalten wird, bleibt abzuwarten.
Der Bestandsschutz
erstreckt sich aufgrund des vorher Gesagten jedoch nicht auf Spielhallen, die
nach dem 28.10.2011 ihre erste Genehmigung erhalten haben. Dies trifft nur auf
eine noch nicht in Betrieb befindliche Spielhalle zu. Es ist in diesem Jahr
unter der Anschrift Talstraße 63 (im 2. Obergeschoss des Hauses) eine neue Spielhalle
errichtet und bauordnungsrechtlich zugelassen worden, die zum Familienzentrum
St. Marien, Am Burgfeld, und zur Willi-Fährmann-Schule, Martin-Luther-Straße,
nur jeweils einen Abstand von ca. 320 m aufweist. Die Verwaltung ist auch hier
der Meinung, die glücksspielrechtliche Erlaubnis nicht versagen zu können und
die Unterschreitung des Mindestabstands vorliegend noch als hinnehmbar
einzustufen, weil auch eine unmittelbare Verbindung (etwa Schulweg oder
Kindergartenandienung) nicht gegeben ist. Topographische Gegebenheiten können
dort Abweichungen zulassen, wo die Erreichbarkeit beispielsweise durch den
Straßenverlauf, durch vorhandene Bahnlinien, Flussläufe, Sackgassen,
Höhenunterschiede usw. erschwert ist. Das Gesetz verfolgt unter anderem den
Zweck, insoweit der Spielsucht vorzubeugen, als wenigstens in der Nähe der von
Kindern und Jugendlichen besonders häufig aufgesuchten Einrichtungen
Spielhallen aus dem alltäglichen Umfeld herausgenommen und diese dadurch in nur
geringerem Maße Bestandteil der Lebenswirklichkeit in jungen Jahren werden.
Dieses Ziel wird nach Einschätzung der Verwaltung bei dem besagten Betrieb noch
eingehalten.
Abstand der Spielhallen untereinander
Aus den Plänen ist ebenfalls ersichtlich, dass bei vier Spielhallen die
Mindestabstände zueinander eingehalten werden.
Einziger kritischer Punkt wäre allenfalls die Abstandsunterschreitung
von 13 m zwischen den Betrieben Wollenweberstraße 10 – 14 und Bergrather Straße
16. Es ist von der Gesetzesintention her davon auszugehen, dass bei mehr als
einer minimalen Überschneidung eine (ggf. auch mehrere) Vergnügungsstätten
geschlossen werden müsste/n. Kriterien, die die Behörden bei der
Entscheidungsfindung unterstützen, welche der betroffenen Spielhallen denn dann
schließen müsste/n, hat der Gesetzgeber nicht festgelegt. Ein Erlass des MIK
NRW vom 10.05.2016 hilft in dieser Frage allenfalls bedingt weiter. Er verweist
lediglich auf den allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, was in der Praxis bedeutet, bei einer solchen
Konkurrenzsituation die Spielhalle/n zu schließen, die polizeilich sowie in
ordnungs- oder gewerberechtlicher Hinsicht am negativsten auffällt/auffallen.
Für beide Unternehmen ist jedoch festzuhalten, dass ihnen weder polizeiliche
noch ordnungsbehördliche Auffälligkeiten verantwortlich zuzuordnen sind, die
eine entsprechend rechtssichere Entscheidung hinsichtlich einer Schließung
zulassen würden.
Hilfsweise wird vom Ministerium
lediglich auf die im Rahmen der Ermessensausübung durch die örtlichen Behörden
zulässige Abweichung von der Abstandsregelung verwiesen. Diese kann u.a.
erteilt werden, wenn topografische Gegebenheiten Abweichungen
(Unterschreitungen) – wie weiter vor beispielhaft aufgezeigt - dies
rechtfertigen. In einem neuerlichen Erlass des Innenministeriums vom 06.11.2017
wird dies so formuliert: „Auch
wenn infolge der Regelungen im GlüStV nach Ablauf der Übergangsfristen nicht
jede bestehende Spielhalle weiter betrieben werden kann, entsprach und
entspricht es nicht der Intention des Gesetzgebers, dass Spielhallen, die sich
von anderen Spielhallen in Bezug auf Rechtstreue qualitativ positiv abheben,
ihren Betrieb ohne weiteres einstellen müssen.“
Für diese zwei Spielhallen
wurden aufgrund der im Gesetz eigens eingeräumten Ausnahmetatbestände schon
sehr frühzeitig unabhängig voneinander Glücksspielgenehmigungen gem. § 16 Abs.
3 AG GlüStV NRW mit dem Ziel des ungehinderten Weiterbetriebs beantragt. Die
Geringfügigkeit der Unterschreitung von nur 13 m und die Tatsache, dass eine
Hauptverkehrsstraße zu überqueren ist, die landläufig als Barriere zwischen den
beiderseits gelegenen Bereichen empfunden wird, lassen aus Sicht der Verwaltung
die Anwendung der vorerwähnten Sonderregelung zu, so dass auch hierbei die
geänderten gesetzlichen Grundlagen ab dem 01.12.2017 nicht zur Schließung einer
der Spielhallen führen.
Schlussbetrachtung/Planungsrecht:
Das Glücksspielrecht bietet bei der derzeitigen Gesetzeslage nur ein
mit hohen rechtlichen Risiken einhergehendes Instrument, die Zahl der
Spielhallen und deren Betrieb einzudämmen,
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weil es zum einen Ausnahmen zulässt, die mit unbestimmten
Rechtsbegriffen einhergehen, über deren Auslegung wegen der hohen
wirtschaftlichen Folgen trefflich gestritten werden kann und |
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- |
weil es zum anderen auch nach § 29 Abs. 4 GlüStV seitens der
Spielhallenbetriebe die Möglichkeit gibt, unter gewissen Voraussetzungen
Ausnahmen von der Erfüllung einzelner Auflagen wegen ansonsten unbilliger
Härte zu beantragen, was wegen der damit verbundenen Auslegungsproblematik
ebenfalls zu vielen Verwaltungsgerichtsverfahren führen kann. |
||
Mit zu betrachten sind deshalb auch planungsrechtliche Regelungen, denn
nach § 16 Abs. 3 letzter Satz AG GlüStV
NRW bleiben bauplanungsrechtliche Anforderungen von den Gesetzesvorgaben
unberührt, gehen also vor.
Das Planungsrecht bietet grundsätzlich die
Möglichkeit, die Ansiedlung von Vergnügungsstätten räumlich und nach dem Typ zu
steuern, so dass eine Ansiedlung solcher Vorhaben an städtebaulich ausgewählten
Standorten in verträglicher Weise erfolgen kann. Zu den städtebaulich oftmals
problematischen Vergnügungsstätten zählen:
·
Spielhallen
und ähnliche Unternehmen, die der Erlaubnis nach § 33 i GewO bedürfen,
·
Nachtbars,
Stripteaselokale und andere Betriebe mit Sexdarbietungen, die der Erlaubnis
nach
§
33 a GewO bedürfen,
·
Sex- und Pornokinos, Videopeep-Shows,
·
Swingerclubs,
·
Wettbüros.
Grundlage einer planungsrechtlichen
Steuerung von Vergnügungsstätten ist die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der
aktuell gültigen Fassung von 1990. Mit der BauNVO [4] wurde
für die Beurteilung eine eigenständige Nutzungsform der Vergnügungsstätten
eingeführt. Somit kommt eine Zulassung einer Vergnügungsstätte als „sonstiger Gewerbebetrieb“
nicht mehr in Betracht.
In Kleinsiedlungsgebieten (WS), reinen (WR)
und allgemeinen Wohngebieten (WA) sowie Industriegebieten (GI) sind
Vergnügungsstätten nach BauNVO grundsätzlich unzulässig. Weiterhin werden
Vergnügungsstätten nach der Größe unterschiedlich betrachtet:
Kerngebietstypische Vergnügungsstätten (> 100 qm, über ein Stadtviertel
hinausreichender größerer Einzugsbereich) sind in Kerngebieten (MK), in
entsprechenden Sondergebieten (SO) und nur ausnahmsweise in Gewerbegebieten
(GE) zulässig. Nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten (≤ 100 qm,
geringerer Einzugsbereich, meist auf das Stadtviertel bezogen) sind allgemein
in überwiegend gewerblich geprägten Mischgebieten (MI) und nur ausnahmsweise in
besonderen Wohngebieten (WB), Dorf- (MD) und Gewerbegebieten (GE) sowie in
überwiegend durch Wohnnutzung geprägten Mischgebieten (MI) zulässig.
In Bebauungsplangebieten, bei denen die
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten nach älteren Fassungen der BauNVO
festgesetzt wurde, sind Vergnügungsstätten in WR unzulässig, nicht
kerngebietstypische Vergnügungsstätten in WS, WA und WB ausnahmsweise sowie in
MD, MI, GE und GI allgemein zulässig. Kerngebietstypische Vergnügungsstätten
sind ausschließlich in MK zulässig.
Aus städtebaulicher Sicht können Spielhallen
als Unterart der Vergnügungsstätten ein vielfältiges Störpotential bieten:
·
Verdrängung
(z.B. von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben in Innenstädten)
·
„Trading-Down-Effekt“
(u.a. Einschränkung der Angebotsvielfalt)
·
Verzerrung
des Boden- und Mietpreisgefüges
·
Flächenverbrauch
(Zweckentfremdung, z.B. in Gewerbegebieten)
·
Lärm
(z.B. durch lange Öffnungszeiten)
·
Abschottung
(verstärkt durch die branchentypische Gestaltung, wie verklebte Schaufenster)
·
Störung
des Ortsbildes („schwache“ Gestaltung, geschlossene Erdgeschosszone)
·
Imageverlust
des Quartiers (nachbarschaftliche Konflikte mit „seriösen“ Nutzungen)
·
Konflikte
zu in der Nähe befindlichen sensiblen Nutzungen (Kitas, Schulen,
Jugendeinrichtungen, Kirchen)
Der Ausschluss oder die Beschränkung der
Zulässigkeit von Vergnügungsstätten muss durch städtebauliche Gründe
gerechtfertigt sein. Dabei ist die Verhinderung des o. g. Trading-Down-Effektes
sowie der weiteren Störpotentiale in der Rechtsprechung anerkannt.
Aufgrund der Planungshoheit der Gemeinden
kann mit Hilfe des Planungsrechts die Ansiedlung von Vergnügungsstätten
gesteuert werden. Ein Ausschluss im gesamten Stadtgebiet ist allerdings nicht
möglich.
[1]) Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (Ausführungsgesetz NRW Glücksspielstaatsvertrag - AG GlüStV NRW) vom 13. November 2012 (GV. NRW. S. 524)
[2]) Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland
(Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) vom 15.12.2007 (GVBl.2012, S. 11)
[3]) Gewerbeordnung (GewO) vom 22.02.1999 (BGBl. I S. 202)
[4]) Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132)
keine
keine