Der
Kinder- und Jugendhilfeausschuss trifft folgende Entscheidungen:
1.
Er nimmt die Situation in der stationären Kinder- und Jugendhilfe zur Kenntnis.
2.
Er spricht den Trägern der freien Jugendhilfe Dank und Anerkennung für ihr
fortgesetztes Engagement aus.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, an der Gründung einer eigenen stationären Jugendhilfeeinrichtung auf dem Gebiet der Städteregion mitzuwirken und die erforderlichen Schritte zu unternehmen (Suche einer geeigneten Immobilie, Erstellung eines Konzepts, Klärung der Finanzierung, Erwirkung einer Betriebserlaubnis, Einstellung von Personal etc.). Hiermit soll eine Möglichkeit der schnellen und sicheren Unterbringung junger Menschen aus der Region geschaffen werden.
In der gesamten Kinder- und Jugendhilfe macht sich deutschlandweit der
Fachkräftemangel stark bemerkbar. Im Fachausschuss wurde verschiedentlich -
insbesondere über die Situation in der Kindertagesbetreuung - berichtet. (vgl.
Vorlage 380/22).
Der Mangel an pädagogischen
Fachkräften in der stationären Jugendhilfe ist ebenfalls immens und steigt
weiter an. Dies wirkt sich nicht nur
kritisch auf die Betreuungsqualität der Kinder und Jugendlichen aus, sondern
führt gleichzeitig zu einer anhaltenden Überlastung der Fachkräfte in den
Jugendhilfeeinrichtungen. Nicht selten führt der Mangel sogar dazu, dass
vorhandene (freie) Plätze aufgrund fehlenden Personals nicht vergeben werden
können oder Gruppen sogar vorübergehend geschlossen werden müssen. In der
ambulanten und stationären Kinder- und Jugendhilfe erfordern immer komplexer
werdende Störungsbilder bei Kindern und Jugendlichen zwingend gut
ausgebildetes, belastbares und engagiertes Fachpersonal – sowohl in den
Einrichtungen als auch in den Jugendämtern (siehe Anlage 1, Schreiben der
Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) an den
Bundeskanzler Olaf Scholz vom 24.04.2023).
Verschärft wird die Situation durch weitere Zuläufe von UMAs (unbegleiteten minderjährigen Ausländern), steigende Fallzahlen von Inobhutnahmen in Zusammenhang mit 8a-Meldungen/Kindeswohlgefährdungen, steigende Fallzahlen mit komplexen Störungsbildern, die den Druck bei öffentlichen und freien Trägern weiter erhöhen.
Das Jugendamt steht in der
Verantwortung, den Kinderschutz sicher zu stellen. Diese Verantwortung nehmen
wir zusammen mit den freien Trägern sehr ernst. Die genannte Entwicklung lässt
ein Handeln und eine Arbeitsfähigkeit nach fachlichen Gesichtspunkten und
Gesetzen zunehmend schwieriger werden. Wegen
der immer weiter steigenden Zahl komplexer Fallverläufe bei gleichzeitig
fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten gerät zusehends das gesamte System -
sowohl der Inobhutnahme, sowie der Bedarf des jungen Menschen an
orientierender, stationärer Versorgung - in Schieflage.
Inzwischen führt der Mangel an Plätzen mancherorts dazu, dass Kinder und Jugendliche, die unbedingt einen Heimplatz benötigen, regelmäßig in der Region abgewiesen werden.
Die Jugendämter finden insbesondere für herausfordernde Kinder und
Jugendliche nur noch mit sehr viel Aufwand überregional Plätze in den
stationären Jugendhilfeeinrichtungen. Es fehlen geeignete Plätze in der
Heimerziehung, Unterbringungsmöglichkeiten im Rahmen der
Bereitschaftsversorgung und Notschlafplätze für sogenannte „Systemsprenger“.
Kinder und Jugendliche aus der Städteregion Aachen werden mittlerweile
regelhaft bundesweit, da wo Plätze in der Heimerziehung frei sind,
untergebracht. Bei der weiteren Fallzuständigkeit und Begleitung sind die
MitarbeiterInnen bundesweit unterwegs und fallen dadurch „vor Ort“ aus.
Trotz dieser angespannten Situation werden natürlich weiter Inobhutnahmen
zur Sicherung des Kinderschutzes durchgeführt; allerdings unter Inanspruchnahme
von Notlösungen, wie z. B. Hostels, Hotels oder in Einzelfällen sogar in den
Büroräumlichkeiten eines Jugendamtes, das nachts als Notlösung für den
Jugendlichen und die MitarbeiterInnen des ASD im Rahmen seiner Rufbereitschaft
dienen musste, bis ein geeigneter Platz gefunden werden konnte.
Diese äußerst schwierige Situation führt zu immer mehr Druck und
Überforderung bei den Mitarbeitenden des Allgemeinen Sozialen Dienstes in den
Jugendämtern. Hohe Fluktuationen aufgrund der extremen Situation gehören
mittlerweile zum Alltag der Jugendämter (siehe Anlage 2, Bericht des Ministeriums für Kinder, Jugend,
Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration NRW (MKJFGFI) zu „Informationen
und Maßnahmen zur Personal- und Platzsituation in der stationären Jugendhilfe“,
Sitzung vom 28.09.2023.)
3. Zusammenfassung:
Die Jugendämter in der Städteregion sehen bereits seit Monaten dringenden
Handlungsbedarf und haben mehrfach die Träger von stationären Einrichtungen im
Altkreis Aachen aufgefordert, entsprechende Plätze zu schaffen.
Aufgrund des Trägerrisikos bei den freien Trägern der Jugendhilfe (keine
Belegungsgarantie und/oder Finanzierungsgarantie der Jugendämter) besteht oft
Zurückhaltung, zusätzliche Wohngruppen zu schaffen. Gleichzeitig wird aber auch
die Personalakquise in den Heimeinrichtungen schwieriger, weshalb Einrichtungsträger
eher zurückhaltend beim weiteren Platzausbau sind.
Aufgrund der hohen Personalfluktuation und Personalnot werden eher
Heimgruppen geschlossen und weiterhin dringend benötigte Plätze wiederum
abgebaut bzw. stillgelegt. Diese Situation verschärft nochmals aktuell die
Suche nach freien Plätzen.
Durch Schließung der Notschlafstelle in Stolberg wurde das Problem der
Unterbringung nochmals verschärft. Die Einrichtung wurde 2015 aus den o.g.
wirtschaftlichen Gründen geschlossen.
Der Schulterschluss zum Thema Fachkräfte und Platzbedarf zwischen den Jugendverbänden, den weiteren freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe ist notwendig und muss weiterhin intensiv verfolgt werden. Es fanden in den letzten Jahren zahlreiche Gespräche zwischen den Jugendämtern in der StädteRegion Aachen sowie den freien Trägern statt; temporär war der LVR-Köln in unterschiedlichen Formaten zum Thema Platzausbau in der stationären Jugendhilfe beteiligt.
In der Sitzung der Hauptverwaltungsbeamten/-beamtinnen in der StädteRegion Aachen vom 13.11.2023 wurde das Thema erörtert. Die Jugendämter sollen damit beauftragt werden, hierzu ein Konzept zur Gründung einer eigenen Jugendhilfeeinrichtung (Suche einer geeigneten Immobilie, Erstellung eines Konzepts, Klärung der Finanzierung, Erwirkung einer Betriebserlaubnis, Einstellung von Personal etc.) auszuarbeiten und in den politischen Ausschüssen der Kommunen zur Kenntnisnahme und Beschlussfassung vorzulegen.
Hiermit könnte eine Möglichkeit der schnellen und sicheren Unterbringung junger Menschen aus der Region geschaffen werden.
Der LVR und der LWL haben gemeinsam aufsichtsrechtliche Grundlagen zum Fachkräftemangel in betriebserlaubnispflichtigen (teil-)stationären Einrichtungen der Jugendhilfe und sonstigen betreuten Wohnformen gem. §§ 45 ff. SGB VIII herausgegeben. Diese sind unter dem Link https://www.lwl.landesjugendamt.de abrufbar.
Im Ausschuss wird ein Vertreter der Haus St. Josef gGmbH – Eschweiler über die Personal- und Platzsituation in der stationären Jugendhilfe mündlich berichten.
Derzeit entstehen keine finanziellen Auswirkungen.
Keine.