Betreff
Ressourcen-, kreislaufgerechtes und klimaschutzeffizientes Bauen in Eschweiler nach dem Faktor X - Konzept
hier: Grundsatzbeschluss
Vorlage
086/20
Art
Beschlussfassung öffentlich

Die Verwaltung wird beauftragt,

1.  das Konzept für das ressourcen-, kreislaufgerechte und damit klimaschutzeffiziente Bauen (Faktor X - Konzept) in Eschweiler kontinuierlich weiter zu entwickeln,

2. bei allen neuen städtebaulichen Entwicklungen in Eschweiler auf eine ressourcen-, kreislaufgerechte und damit klimaschutzeffiziente Entwicklung hinzuwirken, und dabei jeweils zu prüfen, inwieweit nach wirtschaftlicher, ökologischer und technischer Bewertung das Faktor X - Konzept als Maßstab für eine nachhaltige Umsetzung zu Grunde gelegt und angewendet werden kann,

3. alle neuen Wohngebiete in Eschweiler auf städtischen Flächen oder auf Flächen, bei denen die Stadt Miteigentümerin ist, nur noch nach dem Faktor X - Konzept zu entwickeln und umzusetzen,

4. bei Planungen und Entwicklungen von neuen Wohngebieten privater Dritter im Rahmen ihrer planungshoheitlichen Aufgaben darauf hinzuwirken, dass auch diese, nach Abwägung aller wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Aspekte, nach den Kriterien des Faktor X - Konzeptes entwickelt und umgesetzt werden sowie

5. alle neu zu errichtenden und wesentlich zu sanierenden bzw. zu erweiternden städtischen Gebäude (auch die ihrer kommunalen Unternehmen), nach Abwägung aller wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Aspekte, nach dem Faktor X - Konzept zu entwickeln und umzusetzen.

 


Die Stadt Eschweiler ist bereits seit 2011 maßgeblich und gemeinsam mit der Faktor X – Agentur in der Entwicklungsgesellschaft indeland mbH an der kontinuierlichen Entwicklung des „Faktor X – Konzeptes für das ressourcen-, kreislaufgerechte und damit klimaschutzeffiziente Bauen“ beteiligt. Als ersten Baustein dieses innovativen und bis dahin einzigartigen Ansatzes zur deutlichen Reduzierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs sowie der Treibhausgasemissionen (THG) im Bausektor hat die Stadt gemeinsam mit ihren Partnern das Wohngebiet „Neue Höfe Dürwiß“ erfolgreich entwickelt und umgesetzt. Damit wurde ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz geleistet. So konnten dort mit der alternativen Bebauung nach dem Faktor X - Konzept insgesamt rund 40.000 t nicht nachwachsende Ressourcen, ca. 70.000 MWh Primärenergie sowie rund 12.000 t THG gegenüber einer konventionellen Bauweise eingespart werden. Diese Bilanz verdeutlicht das enorme Potenzial zur Einsparung von Ressourcen und Energie sowie zur Vermeidung von THG-Emissionen im Bausektor. Dieser ist für rund ein Drittel aller THG-Emissionen, rund 40% des Ressourcenverbrauchs und 60% des Abfallaufkommens in Deutschland, und im annähernden Maße auch weltweit, verantwortlich.

 

Diese Klima- und Ressourcenschutz-Strategie der Stadt Eschweiler ist fester Bestandteil der strategischen nachhaltigen Stadtentwicklung und basiert auf Konzepten, die vom Rat der Stadt Eschweiler bereits beschlossen wurden. Das sind insbesondere

-          das vom Rat am 24.06.2014 beschlossene Integrierte Klimaschutzkonzept IKSK (VV 338/12 und VV 080/14); hier als kommunenspezifische Maßnahme Komm1 „Klimaschutz vor Ort: als integrierte Stadtentwicklung verankern“,

-          die erste vom Rat am 18.12.2018 beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Eschweiler (VV 162/18); hier als Maßnahme ResUmw-1.2.1 im Themenfeld „Natürliche Ressourcen und Umwelt“ sowie

-          das vom Rat am 06.11.2019 beschlossene „Energiepolitischen Arbeitsprogramm 2019“ des European Energy Awards (VV 225/19); hier als Maßnahmen 2.1.5 „Ressourceneffizientes Bauen“ und 6.4.2 „Quartierskonzepte“.

 

Für dieses Engagement wurde die Stadt 2016 mit dem European Energy Award (EEA), 2018 mit dem „Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Städte und Gemeinden in der Kategorie der mittelgroßen Städte“ sowie 2019 als „Klimaaktive Kommune 2019“ ausgezeichnet. Mit diesen Auszeichnungen verbindet sich die Verpflichtung der Stadt, ihre Aktivitäten im Bereich der nachhaltigen Entwicklung im Allgemeinen sowie im Bereich des Ressourcen- und Klimaschutzes im Speziellen ambitioniert und zielgerichtet fortzuführen. Mit der Umsetzung des zweiten Faktor X – Wohngebietes - „Westlich Vöckelsberg“ - (VV 212/19, VV 022/20, VV 046/20, VV 148/20, u.a.) knüpft die Stadt zusammen mit ihren Projektpartnern an dieser Erfolgsgeschichte an. Zudem sind weitere Faktor X – Projekte in Planung, u.a. der Bau von Mehrfamilienhäusern mit sozialer Wohnraumbindung im Baugebiet Südlich Patternhof, Kindergärten sowie die Entwicklung eines „ressourcenschonenden, umweltfreundlichen, klimawandel- und strukturwandelsicheren Gewerbe-/Industriegebietes“ (VV 019/20) am Kraftwerk Weisweiler, bei denen das Faktor X – Konzept angewendet werden soll. Letztgenanntes Projekt wurde als Kooperationsprojekt mit mehreren Partnern unter Beteiligung der Stadt Eschweiler im Rahmen des Strukturwandel-„Sofortprogramms Plus“ bei der ZRR (Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH) eingereicht. Mittlerweile wurde es bereits mit dem sogenannten „zweiten Stern“ ausgezeichnet sowie ein direkter Förderzugang zu Landes- und Bundesmittel in Aussicht gestellt.

Zudem plant die Stadt mit der „Change Factory Eschweiler“ ein Innovationszentrum auf dem ehemaligen Schlachthof am Drieschplatz, welches mit der Ansiedlung von Kompetenzzentren und Unternehmen die politisch und gesellschaftlich geforderte Ressourcenwende im Rheinischen Revier im Zuge des Strukturwandels maßgeblich verorten soll. Konsequenterweise wird auch das dazu notwendige Gebäude nach dem Faktor X – Konzept geplant und realisiert, wobei insbesondere hier die kreislaufgerechte Ausführung von Gebäude und Infrastruktur angestrebt wird.

 

Die Erfahrungen zu den bisher realisierten Faktor X – Bauprojekten in Eschweiler und auch in Inden können die anfängliche Skepsis von Kritikern widerlegen. Weder sank die Nachfrage nach den Grundstücken noch konnten Planungen der Interessenten nicht realisiert werden. Vergleiche zeigten auch, dass die Baukosten durch das Faktor X – Bauen nicht wesentlich anstiegen. Ursache dafür ist, dass durch die im Faktor X – Konzept bewusst offen gehaltene Umsetzung der Faktor X – Kriterien eine weitestgehend freie Wahl von Baukonstruktion und Baumaterialien gegeben war. Dies ermöglichte auch – im Rahmen der Vorgaben des Bebauungsplanes - eine weitestgehend freie Entscheidung der Bauherren über die äußere wie innere Gestaltung der Gebäude.

Faktor X ist somit eine einfach zu realisierende, nahezu kostenneutrale und effektive Methodik, große Ressourcen- und Klimaschutzpotenziale auf kommunaler Ebene zu erschließen. Damit können die Klimaschutzziele deutlich schneller und kostengünstiger erreicht werden als beispielsweise mit kostenintensiven technischen Maßnahmen im Gebäudesektor.

Zudem bieten das Faktor X – Konzept sowie die weitergehende thematische Ausrichtung auf die kreislaufgerechte Ausführung von Gebäuden und Infrastrukturen – z.B. durch Einsatz von Sekundärbaustoffen, 100% hochwertig wiederverwendbaren bzw. wiederverwertbaren Baustoffen und Bauteilen, Vermeidung von untrennbaren Materialmischungen – die einmalige Chance, die auf Grund schwindender Ressourcen unabdingbare Transformation der Bauwirtschaft hier im Rheinischen Revier maßgeblich mitzugestalten und so vor Ort neue Arbeitsplätze in Forschung, Entwicklung, Gewerbe und Industrie zu schaffen.

 

Um die bereits politisch beschlossenen Zielvorgaben für die Umsetzung des Faktor X – Konzeptes im Bausektor (s.o.), eine noch breitere Akzeptanz für das Thema Faktor X in der Öffentlichkeit sowie die Umsetzung der enormen Klimaschutzpotenziale im Eschweiler Stadtgebiet konsequent und effizient zu erreichen, beabsichtigt die Verwaltung, die bereits in den genannten Projekten angesetzten Zielverpflichtungen nunmehr konsequent auf alle städtebaulichen Entwicklungen und vor allem auf die konkreten städtischen Hochbauprojekte anzuwenden. Durch einen entsprechenden Grundsatzbeschluss kann dieses Prinzip zukünftig fest in der städtebaulichen Planung und Entwicklung verankert werden.

Alle neuen Baugebietsentwicklungen für das Wohnen und alle neuen Bauprojekte (Neubau, Umbau, Erweiterung) der Stadt oder der kommunalen Gesellschaften (Strukturförderungsgesellschaft, Blaustein-See GmbH, u.a.) sollen unter Berücksichtigung einer ökonomischen, ökologischen und technischen Bewertung (Realisierbarkeit) nach dem Faktor X – Konzept realisiert werden.

Im o.g. Projekt zur Entwicklung eines „ressourcenschonenden, umweltfreundlichen, klimawandel- und strukturwandelsicheren Gewerbe-/Industriegebietes“ am Kraftwerk Weisweiler sollen Faktor X – Kriterien für Gewerbe- und Industriegebiete entwickelt und exemplarisch angewendet werden. Diese könnten dann zukünftig auch für alle neuen Gewerbe- und Industriegebiete in Eschweiler gelten. Nach Abschluss des Projektes soll dann eine entsprechende Beschlussvorlage dem Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss zur Vorberatung sowie dem Rat der Stadt Eschweiler zum Beschluss vorgelegt werden.

 

Die Verwaltung empfiehlt, den hier formulierten Grundsatzbeschluss zur konsequenten Anwendung des Faktor-X Konzeptes zum ressourcenschonenden, kreislaufgerechten und klimaschutzeffizienten Bauen in Eschweiler zu beschließen.

 

 

 


Bisher nicht bezifferbar.

 


Die Anwendung des Grundsatzbeschlusses bindet anteilig personelle Kapazitäten in den Ämtern 23, 61, 65, 66 und in der Stabsstelle nachhaltige Entwicklung. Bei der Entwicklung der einzelnen Projekte bis hin zur konkreten Prüfung einzelner Bauprojekte kann die Unterstützung und Zuarbeit der Faktor X - Agentur in der Entwicklungsgesellschaft indeland mbH beansprucht werden. Perspektivisch könnten Entwicklungs- und Beratungsleistungen für Eschweiler und das gesamte Rheinische Revier durch das geplante Kompetenzzentrum für die Ressourcenwende im Rheinischen Revier in der Change Factory Eschweiler übernommen werden.