Betreff
Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes – aktualisierte Handreichung zur Förderrichtlinie Wiederaufbau NRW
Vorlage
435/24
Art
Beschlussfassung öffentlich

Der Rat der Stadt nimmt den Sachverhalt zur Kenntnis. Er beauftragt die Verwaltung, die Förderfähigkeit der dargestellten Maßnahmen zu untersuchen und einen entsprechenden Antrag gem. Nr. 7.6 der Förderrichtlinie für den Wiederaufbau vorzubereiten.

 

Der Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss nimmt den Sachverhalt zur Kenntnis.

 


Der Hochwasserabfluss des katastrophalen Hochwasserereignisses im Juli 2021 entspricht keiner statistischen Größe. Schätzungen zufolge ist davon auszugehen, dass es sich bei diesem Hochwasserereignis statistisch um ein mehrtausendjähriges Ereignis handelt.

 

Der Hochwasser-Gebietsschutz der Stadt Eschweiler entspricht flächendeckend dem aktuell vorgegebenen technischen Standard „HQ100“. Ein HQ100 bezeichnet einen Hochwasserabfluss, der im statistischen Mittel einmal in 100 Jahren erreicht oder überschritten wird. Der Hochwasserschutz in der Stadt Eschweiler hielte dem – anders als in anderen vom Starkregenereignis betroffenen Landesteilen – stand. Aus diesem Grunde wurden seitens der übergeordnete Stellen bisher Hochwasserpräventionsmaßnahmen, die zur Erreichung erst des HQ100-Standardes führten, priorisiert. Da diese überwiegend auch im Oberlauf der Inde vor Eschweiler Stadtgebiet verortet sind, würde hiervon das Eschweiler Stadtgebiet ebenfalls profitieren.

 

Im August 2024 teilte das für den Wiederaufbau zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW mit, dass die Förderrichtlinie Wiederaufbau sowie die dazugehörige Handreichung aktualisiert wurde. Die betroffenen Kommunen könnten nunmehr für konzeptionelle und investive

 

·         Starkregen-Retentionsmaßnahmen

·         sog. „no-regret-Maßnahmen“ (Maßnahmen, die aus Sicht des Landes keine negativen Auswirkungen auf den Naturschutz und das hydrologische Gesamtsystem haben), und

·         verbessernde Hochwasserschutzmaßnahmen baulicher oder technischer Art

 

zusätzlich zu den genehmigten Wiederaufbaumaßnahmen weitere 10 % des zuvor bewilligten Volumens, mithin zusätzlich rund 16,2 Mio. €, beantragen. Die aktualisierte Handreichung ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt. Vorausgesetzt wird, dass eine unmittelbare Verminderung der Gefährdung eines durch das Starkregen- und Hochwasserereignis vom Juli 2021 direkt geschädigten Bereiches erreicht wird. Hierzu muss die Untere Wasserbehörde eine bestätigende Stellungnahme zur Sinnhaftigkeit der Maßnahme und die Wirksamkeit auf den durch die Antragstellenden definierten Siedlungsbereich, zum Beispiel durch den Verweis auf ein bestehendes abgestimmtes Hochwasserschutzkonzept oder eine fachliche Aussage zur Wirksamkeit und Machbarkeit der geplanten Maßnahme, treffen.

 

Erforderlich zur Beantragung sind des Weiteren:

 

-          möglichst konkrete Beschreibung der Ausführung und Wirkung der beantragten Hochwasserschutz- und Starkregenpräventionsmaßnahme

-          Definition eines geschädigten Bereichs, auf den die Wirkung der Maßnahme ausgerichtet ist.

-          Darlegung, dass ohne Maßnahme bei einem weiteren Hochwasserereignis wieder große Schäden zu erwarten sind.

-          steckbriefartige Beschreibung der Maßnahme unter Angabe

1.       Beschreibung zu den aufgetretenen Schäden des zu schützenden Bereiches beim Schadensereignis 2021

2.      Kartografische und textliche Darstellung des zu schützenden geschädigten (Siedlungs-)Bereiches, der Maßnahmen sowie des Abflusses aus den Einzugsgebieten (ggf. ergänzt durch Zeichnungen, Schnitte, Höhenmodelle)

3.      Hydrologische Bewertung und Darstellung der benötigten Bemessung (zum Beispiel „KOSPIS Starkregen“),


 

4.      Einschätzung der Maßnahme in Bezug auf ihre wasserwirtschaftlichen Belange und Wirkung sowie

5.      grundsätzliche Eignung in Bezug auf das Schutzziel

 

Die geforderten Unterlagen wird die Verwaltung nicht mit eigener Expertise erstellen können. Hierzu werden externe Gutachten erforderlich, deren Detailierungsgrad insbesondere auch mit der Unteren Wasserbehörde abzustimmen sein werden. Antragsfrist ist – wie für den Gesamt-WAP – der 30.06.2026.

 

Nachrichtlich sei erwähnt, dass im Zuge der Wiederaufbauarbeiten in den jeweiligen Hoch- bzw. Tiefbauprojekten zudem bereits jetzt Maßnahmen zur Hochwasserresilienz der jeweiligen Objekte berücksichtigt werden. Je nach Objekt wurden hierzu individuelle Interventionen durchgeführt. Nur beispielhaft seien genannt die Aufmauerung von Kellerschächten, die Abdichtung und Erhöhung von Gebäudesockeln, die Dislozierung von Gebäudetechnik in Obergeschosse, die Geländemodellierung oder die Aufweitung von Brückendurchflüssen.

 

Bereits unmittelbar nach dem Hochwasser hat die Verwaltung begonnen, mögliche Hochwasser-Resilienzprojekte zu identifizieren. Bisher konnten diese Maßnahmen aufgrund der Priorisierung des Wiederaufbaus und der mangelnden Finanzierbarkeit nicht weiterverfolgt werden. Mit der nunmehr entstandenen Förderkulisse allerdings ließen sich Teilmaßnahmen weiter vertiefen und – so die Förderfähigkeit gegeben ist – auch teilweise umsetzen.

 

Die beiliegende Präsentation des Dez. III zeigt verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes über das gesetzlich geforderte Niveau hinaus auf, die in Aue, der Innenstadt und in Weisweiler verortet sind. Insbesondere die Maßnahmen, die sich vorgelagert des Eschweiler Siedlungsbereiches befinden, schützen aufgrund der Lage im Oberlauf der Inde dabei das gesamte Stadtgebiet.

 

Kerngedanke des Konzeptes ist es, mit vorgelagerten Retentions- und Renaturierungsmaßnahmen im Hochwasserfall zusätzliches Rückhaltevolumen zu schaffen. Die zur Renaturierung vorgesehene Fläche beträgt dabei wie folgt:

 

·         Aue: ca. 55.000 m²

·         Innenstadt I: ca. 60.000 m²

·         Innenstadt II: ca. 50.000 m²

·         Weisweiler I: bis zu ca. 230.000 m²

·         Weisweiler II: ca. 20.000 m²

 

Flankiert würden die Renaturierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Gebietsschutzes mit (mobilen) Hochwasserschutzwänden, Hochwasserschutzrechen, Geschwemmselfallen und weiteren baulichen Einrichtungen, um auch eine deutliche Verbesserung der Schwemmgutproblematik zu erzielen.

 

Durch die Schaffung von Renaturierungen würde zudem nicht nur der Hochwasserschutz verbessert. Vielmehr würden so zusätzliche innenstadtnahe Naturräume entstehen, die neben einem ökologischen Mehrwert auch zur Naherholung und Rückkühlung in Hitzeperioden führen würden. Die gewonnenen Flächen könnten zudem auch für den Fuß- und Radverkehr Verbesserungen erzeugen.

 

Hinsichtlich der dargestellten Maßnahmen im Bereich Aue ist einschränkend zu beachten, dass eine Umsetzung von Maßnahmen nur im Zusammenwirken mit den Planungen zur L238n sinnvoll erscheint. Mit Umsetzung der Straßenplanungen würde zudem auch ein Verantwortungsübergang auf den Wasserverband Eifel-Rur erwartet.

 

 

Mangels detaillierterer Planung liegt zur Verfolgung des Konzepts bisher kein Kostenrahmen vor. Näherungsweise kann für Renaturierungen ein Kostenkennwert von ca. 165 € brutto pro m² angesetzt werden (Quelle: Kalkulation eines vergleichbaren Renaturierungsprojektes des WVER). Damit könnten die Kosten der einzelnen Maßnahmen näherungsweise wie folgt geschätzt werden:

 

·         Aue: ca. 55.000 m² x 165 € brutto = ca. 9 Mio. €

·         Innenstadt I: ca. 60.000 m² x 165 € brutto = ca. 10 Mio. €

·         Innenstadt II: ca. 50.000 m² x 165 € brutto = ca. 8 Mio. €

·         Weisweiler II: ca. 20.000 m² x 165 € brutto = ca. 3,3 Mio. €

 

Für die Maßnahme „Weisweiler I“ kann keine Aussage getroffen werden, da hier zwar eine sehr große Renaturierungsfläche entstünde, diese allerdings nach derzeitigem frühen Kenntnisstand keinen vergleichbar umfangreichen Herrichtungsaufwand zur Folge hätte.

 

Deutlich wird damit, dass das zusätzliche Fördervolumen von rund 16,2 Mio. € ausreichen wird, um einige Bausteine des Gesamtkonzeptes zu finanzieren. Aus Gründen des Hochwasserschutzes sind dabei grds. die Maßnahmen zu bevorzugen, die im Oberlauf der Inde verlaufen. Allerdings wird mit fortschreitender Kostengenauigkeit auch der Grenznutzen zu untersuchen sein. Dabei steht die Fragestellung im Vordergrund, wie viel Retentionsfläche pro eingesetztem Investitionsvolumen der einzelnen Maßnahme erreicht werden kann bzw. wie viele Einwohner pro eingesetztem Investitionsvolumen von der jeweiligen Maßnahme profitieren. Zudem ist die o.g. Wechselwirkung mit den Planungen zur L238n im Bereich Aue zu beachten.

 

 

Das weitere Vorgehen sieht eine weitere Erörterung des Konzeptes mit der Unteren Wasserbehörde sowie dem Wasserverbandes Eifel-Rur vor. In der Folge beabsichtigt die Verwaltung im Falle der Zustimmung des Rates die Beauftragung eines spezialisierten Ingenieurbüros mit der Erstellung von Maßnahmensteckbriefen im Sinne der Förderrichtlinie und nach Maßgabe der vorgenannten Abstimmung insbesondere mit der Unteren Wasserbehörde. In Abhängigkeit der Ergebnisse dieser Steckbriefe wird die Verwaltung einen Vorschlag zur Priorisierung der Maßnahmen gemeinsam mit dem dazugehörigen Förderantrag zur politischen Beratung vorlegen.

 


Für Hochwasserpräventionsmaßnahmen im Sinne der Förderrichtlinie werden seitens des Landes NRW zusätzliche WAP-Mittel im Umfang von 16,2 Mio. € bereitgestellt, die unter den Bedingungen des kommunalen Wiederaufbaus ohne Eigenanteile der Stadt Eschweiler verwendet werden können.

 

Zur Erstellung der Antragsunterlagen werden Gutachten und Konzeptbausteine extern beauftragt werden müssen. Der genaue Detailierungsgrad ist mit der Unteren Wasserbehörde abzustimmen. In Anlehnung an die Lph 1+2 des § 43 HOAI (Ingenieurbauwerke) ist bei einem Volumen von rund 16,2 Mio. € brutto mit Kosten in Höhe von rund 95.000 € brutto zu rechnen, die bis zur Anerkennung der Förderfähigkeit der Maßnahmen vorzufinanzieren wären.

 


Die detaillierte Ausarbeitung und Begleitung der Maßnahmen erfordert – sofern eine Bewilligung erfolgt – zusätzliche Personalkapazitäten von geschätzt 1 Vollzeitäquivalente.