Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.
Am 06.04.2022 hat der Landtag das
„Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien und zur
Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften“ in der Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen (Drucksache 17/16949) beschlossen.
Nach Empfehlung des Ausschusses wurde in § 113 GO NRW ein neuer Absatz 6
ergänzt. Danach haben entsandte
Vertreter*innen über die zur Wahrnehmung des Vertretungsamtes sowie die zur
Beurteilung und Überwachung der Geschäfte, die das Unternehmen oder die
Einrichtung betreibt, erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und
Sachkunde zu verfügen.
Zu den neuen Regelungen wurde seitens des Städte- und Gemeindebundes NRW mit Schnellbrief 453/2022 wie folgt informiert:
„Abs. 6 bezieht sich nicht nur auf den
Aufsichtsrat, sondern auf alle Gremien im Sinne des § 113 Abs. 1 GO, also
auch auf Beiräte, die Gesellschafterversammlung von kommunalen Unternehmen oder
Einrichtungen, den Verwaltungsrat der AöR, die Zweckverbandsversammlung (s. § 8
Abs. 1 GKG NRW) etc., nicht hingegen auf den Betriebsausschuss des Rates im
Falle eines Eigenbetriebes oder einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung.
Was unter betriebswirtschaftlicher Sachkunde
und Erfahrung zu verstehen ist, definiert Abs. 6 nicht. Hierbei handelt es sich
um unbestimmte Rechtsbegriffe. Laut Gesetzesbegründung ist die Regelung
(bewusst) allgemein gehalten und auslegungsfähig, so dass den Kommunen ein
Beurteilungsspielraum eingeräumt werde. Damit solle der Vielgestaltigkeit
bestehender Beteiligungen und zukünftigen Beteiligungsmöglichkeiten sowie den
individuellen Bedürfnissen der Kommunen hinreichend Rechnung getragen werden.
(LT-Drs. 17/16929, S. 3) Damit wird es grundsätzlich der Gemeinde überlassen zu
entscheiden, welche Kenntnistiefe für welche Beteiligung erforderlich und
angemessen ist.
Laut Gesetzesbegründung ist Abs. 6 eine
gesetzlich konkretisierende Regelung bereits bestehender
gesellschaftsrechtlicher Anforderungen. In der Tat hat der BGH bereits in
seiner sog. Hertie-Entscheidung vom 15. November 1982 (II ZR 27/82- juris, NJW
1983, 991) zu den erforderlichen Mindestqualifikationen von
Aufsichtsratsmitgliedern (eines obligatorischen Aufsichtsrates) Stellung
genommen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind dies „Mindestkenntnisse allgemeiner,
wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Art, die erforderlich sind,
um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe
verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“.
Hierzu zählen insbesondere:
-
die
Kenntnisse der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben des Aufsichtsrats,
-
die
Kenntnisse der Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds,
-
die
Kenntnisse, die dem Aufsichtsrat vorgelegten Berichte zu verstehen, zu bewerten
und daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können,
-
die
Kenntnisse für die Prüfung des Jahresabschlusses mit Hilfe des
Abschlussprüfers,
-
die
Kenntnisse zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und
Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit von Führungsentscheidungen.
Diese Vorgaben sind zu berücksichtigen bei
der Auslegung des Abs. 6 und der damit verbundenen Entscheidung über die –
gegebenenfalls durch Fortbildungen zur erlangende - erforderliche Sachkunde von
Aufsichtsratsmitgliedern.
Bei anderen Gremien orientiert sich die
Mindestqualifikation ebenfalls an den spezifischen Aufgaben des jeweiligen
Gremiums und den damit verbundenen Anforderungen an dessen Gremienmitglieder.
In Anbetracht der Vielfältigkeit kommunaler Unternehmen und Einrichtungen wird
zudem deren Größe und Bedeutung, die Umsätze, die Art der Unternehmensgeschäfte
und die damit verbundenen Risiken bei der Frage der erforderlichen
Sachkundetiefe zu berücksichtigen sein. Ein besonderer formalisierter oder
zertifizierter Sachkundenachweis wird nicht vorgegeben.
Anders als vergleichbare Regelungen in
Sachsen und Sachsen-Anhalt bestimmt Abs. 6 nicht, dass die erforderliche
Sachkunde und Erfahrung bereits bei der Bestellung der Gremienmitglieder
vorhanden sein müssen. Eine solche Vorgabe dürfte in der Praxis häufig auch gar
nicht für die vorschlagsberechtigten Fraktionen und Gruppen umsetzbar sein.
Daher wird es ausreichend sein, wenn die Gremienmitglieder die Sachkunde durch
entsprechende Fortbildung erst noch erwerben.
Fortbildung
von Gremienmitgliedern
Nach § 113 Abs. 6 Satz 2 GO soll die
Gemeinde den vom Rat entsandten Mitgliedern Gelegenheit geben, regelmäßig an
Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, die der Wahrnehmung ihrer Aufgaben
dienlich sind. Die Gemeinde trifft damit eine Unterstützungspflicht bei dem
Erwerb der erforderlichen Sachkunde. Dies ist nicht neu. Bereits in der
Vergangenheit haben viele Kommunen und kommunale Unternehmen mit Blick auf die
bundesrechtlichen Vorgaben für kommunale Vertreter interne und externe
Schulungen durchgeführt.
Die Gemeinde muss dabei nicht selbst
Fortbildungsveranstaltungen in Form von Inhouse-Schulungen anbieten; auch
Fortbildungsangebote von den jeweiligen kommunalen Unternehmen und
Einrichtungen selbst oder von externen Anbietern kommen gleichfalls in Betracht.
Das Gesetz macht hierzu keine Vorgaben, es besteht mithin ein weiter
Entscheidungsspielraum. Häufig werden auch Vorträge von Beschäftigten des
Unternehmens bzw. der Einrichtung oder der Gemeinde im Rahmen von
Gremiensitzungen ausreichen.
Mit der Pflicht der Gemeinde, Gelegenheit
zur Fortbildung zu geben, korreliert die Pflicht der Gremienmitglieder zur
Fortbildung gemäß Satz 3. Sofern ein Gremienmitglied es ablehnt, sich
fortzubilden, kommt eine Abberufung nach Abs. 1 Satz 3 in Betracht. Dies gilt jedenfalls
dann, wenn die Person nicht über die erforderliche Mindestqualifikation
verfügt. Auf der anderen Seite wird man für Gremienmitglieder, die aufgrund
ihrer langjährigen Mitgliedschaft in dem Gremium oder aufgrund ihrer
beruflichen Qualifikation oder Berufserfahrung (z.B. als Wirtschaftsprüfer oder
Steuerberater) über die erforderliche Sachkunde und Erfahrung verfügen, keine
Pflicht herleiten können, an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, es sei
denn grundlegende gesetzliche oder betriebswirtschaftliche Änderungen machen
dies erforderlich.
Kostentragung
für Fortbildungen
Abs. 6 regelt nicht, wer die Kosten der
Fortbildung zu zahlen hat. Auch das AktG oder das GmbHG treffen dazu keine
Regelung. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur ist anerkannt, dass
Aufwendungen, die zur Erlangung oder Aufrechterhaltung der erforderlichen
Qualifikation des Aufsichtsratsmitglieds getätigt werden, grundsätzlich vom
Aufsichtsratsmitglied selbst zu tragen sind. Denn sie treffe die Pflicht, die
erforderliche Sachkunde zu erlangen.
Eine Kostentragungspflicht der Gemeinde
könnte allenfalls aus ihrer Pflicht, den Aufsichtsratsmitgliedern Gelegenheit
zur Fortbildung zu geben, hergeleitet werden. Die Gesetzesbegründung trifft
hierzu jedoch keine Aussage, so dass eine Rechtspflicht aus der Formulierung
des Satz 2 nur schwerlich hergeleitet werden kann. Gleichwohl ist die
Geschäftsstelle mit Blick auf die ehrenamtliche Natur der Gremienmitgliedschaft
der Auffassung, dass die Kommunen sich auch finanziell an der Fortbildung der
Gremienmitglieder engagieren sollten. Das heißt nicht, dass die Kommune Kosten
für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, die das Aufsichtsratsmitglied in eigener
Initiative ohne vorherige Absprache mit der Kommune wahrnimmt, zu tragen hat.
Nur wenn die Gemeinde vorher erklärt hat, dass sie die Kosten übernimmt, ist
sie zur Kostentragung verpflichtet.
Die Geschäftsstelle regt an, dass die
Kommunen den Gremienmitgliedern aus Sicht der Verwaltung empfehlenswerte
Veranstaltungen anbieten und erklären, dass sie die Kosten übernehmen werden.
Dies können interne Veranstaltungen im Rat oder den Gremien von kommunalen
Unternehmen und Einrichtungen sein oder auch externe Veranstaltungen. Die Höhe
der Kosten wird bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auch eine nicht
unwichtige Rolle spielen. Auch sollten die kommunalen Unternehmen und
Einrichtungen bei der Fortbildung und Übernahme von Kosten mit in die Pflicht
genommen werden. Denn die Sachkunde der Gremienmitglieder kommt insbesondere
ihnen zugute. Auch wissen sie am besten, welche spezifischen Kenntnisse die
Gremienmitglieder haben müssen.
Um Rechtsklarheit für die Gremienmitglieder
und die Gemeinde zu schaffen, kann der Rat durch einfachen Ratsbeschluss oder
in der Hauptsatzung (§ 45 Abs. 2 GO) die Voraussetzungen für die Erstattung von
Fortbildungskosten durch die Gemeinde regeln. Eine solche Regelung könnte
beinhalten, dass die Gemeinde die Kosten für Fortbildungsmaßnahmen erstattet,
die sie anbietet und die Kostenübernahme erklärt, oder, im Falle von
Fortbildungsveranstalten auf Vorschlag von Gremienmitgliedern, die sie vorab
genehmigt. Ebenso kann die Gesellschafterversammlung einen entsprechenden
Beschluss für Fortbildungen der kommunalen Unternehmen bzw. Einrichtungen
herbeiführen.“
Zunächst wurde seitens des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung NRW angekündigt, weitergehende inhaltliche Vorgaben zum § 113 Abs. 6 GO NRW zu erlassen. Dies ist nach aktuellem Sachstand jedoch nicht weiter beabsichtigt. Insoweit wird, nach Erörterung in der Hauptverwaltungsbeamten-Konferenz, auf städteregionaler Ebene angeregt, entsprechende Fortbildungen über das Studieninstitut Aachen in Form von Online-Seminaren anzubieten. Die anfallenden Kosten würden von der Verwaltung übernommen bzw. erstattet. Aktuell erfolgt eine Abstimmung zwischen der StädteRegion Aachen und dem Studieninstitut Aachen, um von dort ein Angebot mit folgendem Seminaraufbau einzuholen:
Baustein 1: Aufgaben, Rechte und Pflichten
Ihre Rolle als Aufsichtsratsmitglied
Rechte und Pflichten
Grundsätze ordnungsmäßiger
Aufsichtsratstätigkeit anhand praktischer Beispiele
So haften Aufsichtsgremien
Good Governance - Instrumente guter
Unternehmensführung
Baustein 2: Betriebswirtschaftliche Grundlagen für Aufsichtsgremien
Jahresabschluss und Kennzahlen
Wirtschaftsplan
Prüfungsberichte verstehen
Risikomanagementsysteme
Spezielle Fragestellungen bei öffentlichen
Unternehmen
(2 Abende / jeweils 3 Stunden)
Über das Studieninstitut Aachen könnte eine einheitliche und vor allen Dingen regelmäßige Fortbildung von Gremienmitgliedern sichergestellt werden. Insofern wird die Anregung der StädteRegion von der Verwaltung befürwortet. Über den weiteren Verfahrensablauf wird zeitnah informiert.
Keine.
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