Betreff
Sachkundenachweis für Vertreter*innen in den Kommunalen Gremien nach § 113 Abs. 6 GO NRW
Vorlage
063/23
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Am 06.04.2022 hat der Landtag das „Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften“ in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen (Drucksache 17/16949) beschlossen. Nach Empfehlung des Ausschusses wurde in § 113 GO NRW ein neuer Absatz 6 ergänzt.  Danach haben entsandte Vertreter*innen über die zur Wahrnehmung des Vertretungsamtes sowie die zur Beurteilung und Überwachung der Geschäfte, die das Unternehmen oder die Einrichtung betreibt, erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde zu verfügen.

 

Zu den neuen Regelungen wurde seitens des Städte- und Gemeindebundes NRW mit Schnellbrief 453/2022 wie folgt informiert:

 

„Abs. 6 bezieht sich nicht nur auf den Aufsichtsrat, sondern auf alle Gremien im Sinne des § 113 Abs. 1 GO, also auch auf Beiräte, die Gesellschafterversammlung von kommunalen Unternehmen oder Einrichtungen, den Verwaltungsrat der AöR, die Zweckverbandsversammlung (s. § 8 Abs. 1 GKG NRW) etc., nicht hingegen auf den Betriebsausschuss des Rates im Falle eines Eigenbetriebes oder einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung.

 

Was unter betriebswirtschaftlicher Sachkunde und Erfahrung zu verstehen ist, definiert Abs. 6 nicht. Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Laut Gesetzesbegründung ist die Regelung (bewusst) allgemein gehalten und auslegungsfähig, so dass den Kommunen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werde. Damit solle der Vielgestaltigkeit bestehender Beteiligungen und zukünftigen Beteiligungsmöglichkeiten sowie den individuellen Bedürfnissen der Kommunen hinreichend Rechnung getragen werden. (LT-Drs. 17/16929, S. 3) Damit wird es grundsätzlich der Gemeinde überlassen zu entscheiden, welche Kenntnistiefe für welche Beteiligung erforderlich und angemessen ist.

 

Laut Gesetzesbegründung ist Abs. 6 eine gesetzlich konkretisierende Regelung bereits bestehender gesellschaftsrechtlicher Anforderungen. In der Tat hat der BGH bereits in seiner sog. Hertie-Entscheidung vom 15. November 1982 (II ZR 27/82- juris, NJW 1983, 991) zu den erforderlichen Mindestqualifikationen von Aufsichtsratsmitgliedern (eines obligatorischen Aufsichtsrates) Stellung genommen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind dies „Mindestkenntnisse allgemeiner, wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Art, die erforderlich sind, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“.

 

Hierzu zählen insbesondere:

 

-          die Kenntnisse der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben des Aufsichtsrats,

-          die Kenntnisse der Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds,

-          die Kenntnisse, die dem Aufsichtsrat vorgelegten Berichte zu verstehen, zu bewerten und daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können,

-          die Kenntnisse für die Prüfung des Jahresabschlusses mit Hilfe des Abschlussprüfers,

-          die Kenntnisse zur Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit von Führungsentscheidungen.

 

Diese Vorgaben sind zu berücksichtigen bei der Auslegung des Abs. 6 und der damit verbundenen Entscheidung über die – gegebenenfalls durch Fortbildungen zur erlangende - erforderliche Sachkunde von Aufsichtsratsmitgliedern.

 

Bei anderen Gremien orientiert sich die Mindestqualifikation ebenfalls an den spezifischen Aufgaben des jeweiligen Gremiums und den damit verbundenen Anforderungen an dessen Gremienmitglieder. In Anbetracht der Vielfältigkeit kommunaler Unternehmen und Einrichtungen wird zudem deren Größe und Bedeutung, die Umsätze, die Art der Unternehmensgeschäfte und die damit verbundenen Risiken bei der Frage der erforderlichen Sachkundetiefe zu berücksichtigen sein. Ein besonderer formalisierter oder zertifizierter Sachkundenachweis wird nicht vorgegeben.

 

Anders als vergleichbare Regelungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt bestimmt Abs. 6 nicht, dass die erforderliche Sachkunde und Erfahrung bereits bei der Bestellung der Gremienmitglieder vorhanden sein müssen. Eine solche Vorgabe dürfte in der Praxis häufig auch gar nicht für die vorschlagsberechtigten Fraktionen und Gruppen umsetzbar sein. Daher wird es ausreichend sein, wenn die Gremienmitglieder die Sachkunde durch entsprechende Fortbildung erst noch erwerben.

 

Fortbildung von Gremienmitgliedern

 

Nach § 113 Abs. 6 Satz 2 GO soll die Gemeinde den vom Rat entsandten Mitgliedern Gelegenheit geben, regelmäßig an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, die der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dienlich sind. Die Gemeinde trifft damit eine Unterstützungspflicht bei dem Erwerb der erforderlichen Sachkunde. Dies ist nicht neu. Bereits in der Vergangenheit haben viele Kommunen und kommunale Unternehmen mit Blick auf die bundesrechtlichen Vorgaben für kommunale Vertreter interne und externe Schulungen durchgeführt.

 

Die Gemeinde muss dabei nicht selbst Fortbildungsveranstaltungen in Form von Inhouse-Schulungen anbieten; auch Fortbildungsangebote von den jeweiligen kommunalen Unternehmen und Einrichtungen selbst oder von externen Anbietern kommen gleichfalls in Betracht. Das Gesetz macht hierzu keine Vorgaben, es besteht mithin ein weiter Entscheidungsspielraum. Häufig werden auch Vorträge von Beschäftigten des Unternehmens bzw. der Einrichtung oder der Gemeinde im Rahmen von Gremiensitzungen ausreichen.

 

Mit der Pflicht der Gemeinde, Gelegenheit zur Fortbildung zu geben, korreliert die Pflicht der Gremienmitglieder zur Fortbildung gemäß Satz 3. Sofern ein Gremienmitglied es ablehnt, sich fortzubilden, kommt eine Abberufung nach Abs. 1 Satz 3 in Betracht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Person nicht über die erforderliche Mindestqualifikation verfügt. Auf der anderen Seite wird man für Gremienmitglieder, die aufgrund ihrer langjährigen Mitgliedschaft in dem Gremium oder aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation oder Berufserfahrung (z.B. als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater) über die erforderliche Sachkunde und Erfahrung verfügen, keine Pflicht herleiten können, an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, es sei denn grundlegende gesetzliche oder betriebswirtschaftliche Änderungen machen dies erforderlich.

 

Kostentragung für Fortbildungen

 

Abs. 6 regelt nicht, wer die Kosten der Fortbildung zu zahlen hat. Auch das AktG oder das GmbHG treffen dazu keine Regelung. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur ist anerkannt, dass Aufwendungen, die zur Erlangung oder Aufrechterhaltung der erforderlichen Qualifikation des Aufsichtsratsmitglieds getätigt werden, grundsätzlich vom Aufsichtsratsmitglied selbst zu tragen sind. Denn sie treffe die Pflicht, die erforderliche Sachkunde zu erlangen.

 

Eine Kostentragungspflicht der Gemeinde könnte allenfalls aus ihrer Pflicht, den Aufsichtsratsmitgliedern Gelegenheit zur Fortbildung zu geben, hergeleitet werden. Die Gesetzesbegründung trifft hierzu jedoch keine Aussage, so dass eine Rechtspflicht aus der Formulierung des Satz 2 nur schwerlich hergeleitet werden kann. Gleichwohl ist die Geschäftsstelle mit Blick auf die ehrenamtliche Natur der Gremienmitgliedschaft der Auffassung, dass die Kommunen sich auch finanziell an der Fortbildung der Gremienmitglieder engagieren sollten. Das heißt nicht, dass die Kommune Kosten für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, die das Aufsichtsratsmitglied in eigener Initiative ohne vorherige Absprache mit der Kommune wahrnimmt, zu tragen hat. Nur wenn die Gemeinde vorher erklärt hat, dass sie die Kosten übernimmt, ist sie zur Kostentragung verpflichtet.

 

Die Geschäftsstelle regt an, dass die Kommunen den Gremienmitgliedern aus Sicht der Verwaltung empfehlenswerte Veranstaltungen anbieten und erklären, dass sie die Kosten übernehmen werden. Dies können interne Veranstaltungen im Rat oder den Gremien von kommunalen Unternehmen und Einrichtungen sein oder auch externe Veranstaltungen. Die Höhe der Kosten wird bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auch eine nicht unwichtige Rolle spielen. Auch sollten die kommunalen Unternehmen und Einrichtungen bei der Fortbildung und Übernahme von Kosten mit in die Pflicht genommen werden. Denn die Sachkunde der Gremienmitglieder kommt insbesondere ihnen zugute. Auch wissen sie am besten, welche spezifischen Kenntnisse die Gremienmitglieder haben müssen.

 

Um Rechtsklarheit für die Gremienmitglieder und die Gemeinde zu schaffen, kann der Rat durch einfachen Ratsbeschluss oder in der Hauptsatzung (§ 45 Abs. 2 GO) die Voraussetzungen für die Erstattung von Fortbildungskosten durch die Gemeinde regeln. Eine solche Regelung könnte beinhalten, dass die Gemeinde die Kosten für Fortbildungsmaßnahmen erstattet, die sie anbietet und die Kostenübernahme erklärt, oder, im Falle von Fortbildungsveranstalten auf Vorschlag von Gremienmitgliedern, die sie vorab genehmigt. Ebenso kann die Gesellschafterversammlung einen entsprechenden Beschluss für Fortbildungen der kommunalen Unternehmen bzw. Einrichtungen herbeiführen.“

 

Zunächst wurde seitens des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung NRW angekündigt, weitergehende inhaltliche Vorgaben zum § 113 Abs. 6 GO NRW zu erlassen. Dies ist nach aktuellem Sachstand jedoch nicht weiter beabsichtigt. Insoweit wird, nach Erörterung in der Hauptverwaltungsbeamten-Konferenz, auf städteregionaler Ebene angeregt, entsprechende Fortbildungen über das Studieninstitut Aachen in Form von Online-Seminaren anzubieten. Die anfallenden Kosten würden von der Verwaltung übernommen bzw. erstattet. Aktuell erfolgt eine Abstimmung zwischen der StädteRegion Aachen und dem Studieninstitut Aachen, um von dort ein Angebot mit folgendem Seminaraufbau einzuholen:

 

Baustein 1: Aufgaben, Rechte und Pflichten

 

    Ihre Rolle als Aufsichtsratsmitglied

    Rechte und Pflichten

    Grundsätze ordnungsmäßiger Aufsichtsratstätigkeit anhand praktischer Beispiele

    So haften Aufsichtsgremien

    Good Governance - Instrumente guter Unternehmensführung

 

Baustein 2: Betriebswirtschaftliche Grundlagen für Aufsichtsgremien

 

    Jahresabschluss und Kennzahlen

    Wirtschaftsplan

    Prüfungsberichte verstehen

    Risikomanagementsysteme

    Spezielle Fragestellungen bei öffentlichen Unternehmen

 

 

(2 Abende / jeweils 3 Stunden)

 

Über das Studieninstitut Aachen könnte eine einheitliche und vor allen Dingen regelmäßige Fortbildung von Gremienmitgliedern sichergestellt werden. Insofern wird die Anregung der StädteRegion von der Verwaltung befürwortet. Über den weiteren Verfahrensablauf wird zeitnah informiert.

 

 

 

 

 


Keine.


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