Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss trifft folgende Entscheidung:
Er
legitimiert/beauftragt die Verwaltung, die im Sachverhalt dargestellten
Forderungen an die Landesregierung gemeinsam mit den Jugendämtern in der
Städteregion Aachen auf den Weg zu bringen und die vorgeschlagenen
kurzfristigen Maßnahmen gemeinsam mit diesen Jugendämtern umzusetzen.
Die Personalsituation in den meisten
Kindertageseinrichtungen ist bundesweit seit Monaten sehr angespannt. Neben dem
noch zur Verfügung stehenden Personal bekommen das vor allem berufstätige
Eltern und nicht zuletzt die zu betreuenden Kinder zu spüren.
Bundesweit fehlen bereits über 100.000 Erzieher*innen.
Bis 2030 rechnen Studien sogar mit bis zu 230.000 fehlenden Fachkräften
(Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2021). Die KiTa-Teams arbeiten nicht erst seit
der Corona-Pandemie an der Belastungsgrenze. Hinzu kommen Probleme aufgrund von
Personalausfällen z.B. durch langfristige Erkrankungen oder
Beschäftigungsverbote. Die Auswirkungen sind bereits für alle Beteiligten
deutlich spürbar: Träger von Kindertageseinrichtungen können den Familien nicht
ausreichend KiTaplätze zur Verfügung stellen. Betreuungszeiten müssen reduziert
werden; auch ganze Gruppenschließungen stellen keine Ausnahme mehr dar.
Beeinträchtigungen in der Betreuungsqualität sind somit nicht mehr zu
vermeiden. Familien werden oft kurzfristig informiert, dass die Betreuung nur
eingeschränkt oder vorübergehend gar nicht in der Kindertageseinrichtung
stattfinden kann. Dies führt bei den Familien zu hohen psychischen Belastungen,
wenn nicht sogar zu Existenzängsten, da die Arbeitgeber den Personalausfall der
Eltern, die die Kinderbetreuung dann selbst übernehmen müssen, nicht tolerieren
bzw. auch für den Arbeitsablauf der Firma nicht akzeptieren können.
Allein mit gesteigerten Ausbildungskapazitäten kann
diesem Fachkräftebedarf allerdings nicht mehr begegnet werden – zumal schon jetzt Kräfte
fehlen und die Fachkräfte drei bis fünf Jahre benötigen, bevor sie die
Ausbildung abgeschlossen haben.
Die Jugendämter in der Städteregion Aachen haben
gemeinsam mit Trägern, Elternvertretungen und den Fachausschüssen bereits vor
Jahren auf die angespannte Situation reagiert und Resolutionen in Richtung
Landesregierung, Landschaftsverband Rheinland und Bezirksregierung Köln auf den
Weg gebracht. Die angespannte Situation hat sich jedoch nicht verbessert,
sondern zum Teil noch deutlich verschlechtert.
Die Städte Aachen, Alsdorf, Eschweiler, Herzogenrath,
Stolberg, Würselen und die StädteRegion Aachen als örtliche Träger der
öffentlichen Jugendhilfe beschäftigen sich nahezu täglich mit dem
Fachkräftemangel. Im Oktober fand zudem ein KiTa-Gipfel mit den in der Region
ansässigen Berufskollegs, Jugendämtern und Trägervertretungen statt.
Um kurzfristig erneut unmissverständlich auf die
schwierigen Bedingungen in Kindertageseinrichtungen hinzuweisen, schlagen die Verwaltungen
der Jugendämter vor, folgende Forderungen nochmals schriftlich gegenüber der
Landesregierung zu formulieren:
• Die Landesregierung wird
aufgefordert, die Berufsfachschulen für Erziehungswesen bedarfsgerecht weiter
auszubauen und mittelfristig auf hohem Niveau zu halten.
• Die Landesregierung möge erneut
prüfen, ob die Einrichtung einer ortsnahen Ausbildungsstätte für Lehrende an Berufsfachschulen für
Erziehungswesen bedarfsentsprechend und möglich ist.
• Die Landesregierung möge auch prüfen,
ob - ggf. im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Ausbildungseinrichtung
für Grundschullehrende - in der Region eine akademische Ausbildungsform für sozialpädagogische Fachkräfte (Bachelor)
und Führungskräfte (Aufbaustudiengang
Bachelor oder Master) geschaffen werden kann.
Darüber hinaus
schlagen die Verwaltungen der Jugendämter vor, dem Land gegenüber zu fordern
- dass für zeitnahe
Veränderungen im Tarifrecht und in den Finanzierungsregeln nach dem
Kinderbildungsgesetz – KiBiz - zusätzliche Finanzmittel zur
Personalentwicklung bereitgestellt werden,
- die Anerkennung der
Tatsache, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die
freien Träger der Jugendhilfe über ihre Grenzen hinaus gefordert sind, den
Personalbedarf vor dem Hintergrund eines Fachkräftemangels auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in der Region Aachen und in den sozialen
Berufen im Besonderen zu decken,
- ebenso die Tatsache
anzuerkennen, dass der Betrieb in den Einrichtungen durch kurzfristige
Maßnahmen (Reduzierung von Angeboten, weitere Lockerungen der Bestimmungen
der Personalvereinbarung, Einsatz von ausländischem Fachpersonal, Seiten-
und Quereinsteigern usw.) für einen längeren Zeitraum zwar weitergeführt
werden, aber nicht nachhaltig und mit gesunden Bedingungen für Kinder und
Personal sichergestellt werden kann,
- die Erweiterung der
rechtlichen Möglichkeiten für die Mitarbeit neuer Personenkreise (z.B.
durch Alltagshelfer, Quer- und Seiteneinsteiger) auf den Weg zu bringen.
Es bedarf einer echten Erweiterung des eigentlichen Fachkräftepotentials,
d.h. der aktiven und offensiven Nachwuchsförderung, denn der qualitative
und quantitative Ausbau der Kindertagesbetreuung wird nur gelingen, wenn
in die Ausbildung von Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen,
Heilerziehungspflegerinnen und anderer anerkannter Fachkräfte deutlich
stärker investiert wird. Zudem müssen die Aufstiegs- und
Weiterbildungsmöglichkeiten, z.B. für Ergänzungskräfte zu Fachkräften und
Fachkräften zu Leitungskräften, intensiviert werden, um die Berufe
zukünftig attraktiv zu halten.
Die Jugendämter
in der Städteregion Aachen haben sich vor diesem Hintergrund verständigt, die
Personalentwicklung und -gewinnung in gemeinsamer Kraftanstrengung zu
bewältigen. Die freien Träger von Kindertageseinrichtungen werden ausdrücklich
eingeladen, sich an diesem Prozess gleichberechtigt zu beteiligen.
Als weitere
gemeinsame Maßnahmen sollen deshalb folgende Schritte zeitnah umgesetzt werden:
- Eine gemeinsame
Werbekampagne mit neutralem Auftritt zur Bewerbung des gesamten Berufsfeldes
der Kindertagesbetreuung mit gering-, mittel- und hochqualifizierten
Beschäftigungsmöglichkeiten.
- Ein zeitlich und
inhaltlich abgestimmtes Verfahren zur Bewerbung, Eignungsprüfung und
Vermittlung von Praxisplätzen und Schulplätzen in allen Ausbildungsformen
und Ausbildungsberufen im pädagogischen Bereich; Ziele sind die
Bereitstellung eines Ausbildungsplatzes für jede/n geeignete/n Bewerbenden
und die gute Auslastung und der bedarfsgerechte Ausbau aller Standorte der
Berufskollegs.
- Für Ehrenamtler, Quer-
und Seiteneinsteigende sowie Rückkehrende in KiTas soll eine
Grundqualifizierung entwickelt und angeboten werden, in der bestimmte
Anforderungen und Fachkenntnisse für die Mitarbeit in
Kindertageseinrichtungen vermittelt werden.
Rechtslage
Die öffentlichen
und freien Träger von Kindertageseinrichtungen tragen jeweils die
Personalverantwortung für die von ihnen betriebenen Kindertageseinrichtungen.
Durch die
Intensivierung der Personalgewinnung, Ausbildung und Personalentwicklung tragen
die Träger zu gesunden Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und damit zur
Leistungsfähigkeit der Einrichtungen bei.
Die Kosten der
Maßnahmen werden von den jeweiligen Trägern und Jugendämtern aufgebracht.
Personalkosten, auch Ausbildungskosten, sind im Rahmen der KiBiz-Kindpauschalen
und weiteren Fördergrundlagen zu tragen.