Betreff
Entwurf des Gesetzes zum Schutz des Kindeswohls und zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen (Landeskinderschutzgesetz NRW)- Inhalte und mögliche Konsequenzen für das Jugendamt Eschweiler
Vorlage
061/22
Aktenzeichen
511
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Vor allem seit den Missbrauchsskandalen von Lügde, Münster und Bergisch Gladbach hat die Kinderschutzthematik in Nordrhein-Westfalen an medialer Präsenz, aber auch an politischer Aufmerksamkeit gewonnen. Gebündelt wurde dieser politische Prozess in der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderschutzkommission) als Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend des Landes NRW. Diese Kinderschutzkommission wurde im November 2019 auf Grundlage eines gemeinsamen Antrags der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (LT-Drs. 17/7756) eingerichtet.

 

Das Jugendamt Eschweiler hat diesen Prozess von Beginn an begleitet; zuletzt durch die Teilnahme als eines von zehn Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen am Gutachten zu Organisation, Struktur, Größe, Standards, Qualität, Fortbildung und Weiterbildung in nordrhein-westfälischen Jugendämtern im Auftrag der Kinderschutzkommission. Dieses Gutachten ist abrufbar unter https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMI17-316.pdf).

 

Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) des Landes NRW hat nun zum 09.11.2021 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nun nach der 1. Lesung am 26.01.2022 einstimmig an die weiteren Fachausschüsse überwiesen wurde. Am 10. März 2022 findet eine weitere Anhörung zum Gesetzentwurf im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend und der Kinderschutzkommission statt. Ein Inkrafttreten ist zum 01.05.2022 geplant.

 

Was sind nun die inhaltlichen Schwerpunkte eines möglichen Landeskinderschutzgesetzes? Das MKFFI fasst diese in seiner Presserklärung zum 09.11.2021 folgendermaßen zusammen:

 

1. Zur Umsetzung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdungen (§ 8a SGB VIII) sollen fachliche Mindeststandards beachtet werden.

2. In allen Jugendamtsbezirken sollen interdisziplinäre Netzwerke zum Kinderschutz aufgebaut und mit einer Netzwerkkoordinierung ausgestattet werden.

3. Es sollen Leitlinien zu Kinderschutzkonzepten in Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe etabliert werden.

4. Für das Fachpersonal soll es eine umfassende Qualifizierungsoffensive geben.

5. Mit einem Turnus von fünf Jahren soll ein landesweites Qualitätsentwicklungsverfahren der Kinderschutzpraxis durchgeführt werden.

6. Für das Qualitätsentwicklungsverfahren und zur Qualitätsberatung in der Praxis wird es eine landesseitige Stelle geben.

7. Kinderschutz und Kinderrechte sind untrennbar miteinander verbunden. Daher ist Basis für einen wirksamen Kinderschutz, den Rechten von Kindern und Jugendlichen auf Gehör und auf Berücksichtigung ihrer Meinung – entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife – zur Geltung zu verhelfen.

(Quelle https://www.mkffi.nrw/pressemitteilung/nordrhein-westfalen-unterstreicht-bundesweit-fuehrende-rolle-bei-staerkung-und, Abruf v. 11.02.2022)

 

Der positive Ausgangspunkt des Gesetzentwurfs und der Ansatz für den Schutz von Kindern sind nach diesem Entwurf die Rechte der Kinder. Kinderschutz wird hier als rechtebasiert definiert und anders als noch im Bundeskinderschutzgesetz (s. § 1 KKG) nicht als fürsorgerische Unterstützung der Eltern verstanden. Dies drückt sich auch in der starken Betonung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen aus. Daraus erwächst nach ersten Sichtungen eine überzeugende Systematik des Entwurfs. Ausgehend von den Kinderrechten werden die verschiedenen Formen des Kinderschutzes (kooperativ, institutionell, intervenierend) benannt und in den folgenden Vorschriften gesetzlich ausformuliert. Die drei Schwerpunkte des Entwurfs, Standards für die Gefährdungseinschätzung, interdisziplinäres Handeln und Rahmen für Kinderschutzkonzepte sind wichtige Elemente jeder Kinderschutzarbeit. Vor allem das Bekenntnis zu fachlichen Standards und deren konkrete Benennung ist geeignet, der Praxis einen klaren Rahmen für ihre schwierige Arbeit zu geben. Allerdings ist dabei auch zu berücksichtigen, dass diese Standards nun auch einen hohen organisatorischen Verpflichtungsgrad entwickeln und ein Unterschreiten dieser Standards zukünftig zu Haftungsansprüchen führen kann.

 

Einige inhaltliche Schwerpunkte des Gesetzentwurfes sind dabei personalintensiv, aber auch konnexitätsrelevant. Insofern ist dem Gesetzentwurf auch eine Kostenfolgeschätzung gem. § 3 KonnexAG beigefügt, die als Gesamtkompensationen für die Kommunen zum Beispiel in den konnexitätsrelevanten Regelungsgegenständen „Netzwerke Kinderschutz“, „Interdisziplinäre Fortbildungen“, „Fachstandards“ und „Fortbildungen“ einen Belastungsausgleich durch das Land

 

  • für das Jahr 2022 in Höhe von rd. 45,8 Mio. Euro,
  • für das Jahr 2023 rd. 69,1 Mio. Euro sowie
  • für das Jahr 2024 rd. 69,5 Mio. Euro vorsieht.

 

Die Mittel sollen gem. § 12 Abs. 3 gem. der Anzahl der Kinder und Jugendlichen im Jugendamtsbezirk im Verhältnis zur landesweiten Gesamtzahl ausgezahlt werden. Zudem sind für bestimmte Aufgabenbereiche, wie zum Beispiel die Netzwerkkoordination, Sockelbeträge für die Kommunen vorgesehen.

 

Nach hiesigen Kenntnisstand wird der Gesetzentwurf weitgehend begrüßt, so dass mit einer Umsetzung gerechnet werden kann. Begrüßt wird dabei auch, dass die Leistungen des Landes nicht projektfinanziert, sondern dauerhaft den Kommunen zur Verfügung gestellt werden sollen.

 

Trotz dieser ersten, positiven Einschätzungen ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Entwurf lediglich ein Rahmen für gelingende Kinderschutzarbeit geschaffen wird. Entscheidend wird sein, wie die kommunale Praxis in der Lage ist, diesen Rahmen auch auszufüllen. Gerade auch in Hinblick auf die derzeitige Mehrbelastung der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) aufgrund verschiedenster, paralleler Effekte (Pandemie, Flutkatastrophe, Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes) stellt dieses eine große Herausforderung dar.

Dabei ist insbesondere auch die Frage zu stellen, wie zukünftig auch dem Fachkräftebedarf in diesem Feld begegnet werden kann. Schon jetzt ist bekannt, dass bereits einige Sozialdienste in Nordrhein-Westfallen erhebliche Schwierigkeiten haben, überhaupt ihre Sollstellen besetzen können.

 

 


Derzeit befindet sich der Entwurf noch im Gesetzgebungsverfahren, so dass die abschließenden Regelungen bzgl. des § 12 (Belastungsausgleich durch das Land) des Landeskinderschutzgesetzes NRW noch abzuwarten sind. Sollten die Entwurfsregelungen allerdings in dieser Form in Kraft treten, werden u.a. Mittel für eine Personalie zur Bildung eines Netzwerkes zur interdisziplinären Zusammenarbeit im Kindesschutz in Höhe von 0,5 Vollzeitäquivalenten sowie weitere, mindestens sechsstellige Beträge zur Aufgabenerweiterung im ASD durch das Land zur Verfügung gestellt.

 


Wie bereits beschrieben, führen die möglichen Gesetzesauswirkungen ab dem 01.05.2022 zu Mehrbedarfen u.a. im Allgemeinen Sozialdienst und zur Schaffung einer neuen Koordinationsstelle Kindesschutz. Abschließend kann hierzu dann nach dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens berichtet werden.