Betreff
Strukturwandelladen Eschweiler
hier: Sachstand
Vorlage
436/21
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Mit der vom Rat im Dezember 2018 beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie (VV 162/18) wird im Themenfeld „Gesellschaftliche Teilhabe und Gender“ das Ziel festgelegt, dass alle Bürgerinnen und Bürger Eschweilers sich gleichberechtigt in die Planungsprozesse mit gesamtstädtischer oder regionaler Bedeutung aktiv einbringen; damit eine neue Form der Bürgerbeteiligung etabliert wird.

 

Als ein Baustein zur Umsetzung dieses Ziels wurde von der Verwaltung das Projekt „Strukturwandelladen Eschweiler“ initiiert. Dieses zielt darauf ab, den Strukturwandel in Eschweiler - Veränderungen auf Grund wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Rahmenbedingungen - sichtbar zu machen. Dieser bestimmt nicht erst seit dem jüngsten Ausstieg aus der Braunkohle das kommunale und lokalpolitische Handeln, bekommt aber vor dem Hintergrund der anstehenden Herausforderungen, vor allem dem Klimawandel, eine besondere Bedeutung.

 

Der „Strukturwandelladen Eschweiler“ wird durch eine informative, interaktive und allgemeinverständliche Ausstellung sowie durch begleitende Formate der Bürger*innenbeteiligung ausgestaltet, und soll, wenn möglich, in einem leerstehenden, von der Stadt anzumietenden Ladenlokal in der Eschweiler Innenstadt eingerichtet werden. Nach Sanierung der Marktstraße 9 zum „Haus des Strukturwandels“ kann der „Strukturwandelladen“ dann dort dauerhaft untergebracht und betrieben werden.

 

Die interessierte Öffentlichkeit soll zu einem offenen Diskurs über den Prozess und die Projekte des Strukturwandels in Eschweiler und in der Region angeregt werden.

 

Der beschlossene und bereits eingeleitete Ausstieg aus der Braunkohle in den deutschen Revieren führt zu einem Wegfall von rund 15.000 Arbeitsplätzen allein im Rheinischen Revier, die derzeit noch an die Braunkohleförderung und Verstromung direkt oder indirekt gekoppelt sind. Zur Abfederung dieses wirtschaftlichen und sozialen Bruchs hat die Bundesregierung bis 2038 rund 14 Mrd. Euro an Fördermitteln dem Rheinischen Revier zugesagt. Mit diesen Mitteln sollen Projekte zur aktiven Gestaltung des Strukturwandels, zur Transformation der Wirtschaft und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen finanziert werden. Nach einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) könnten durch die Förderung bis 2038 rund 27.000 neue Arbeitsplätze im Rheinischen Revier entstehen. An der Gestaltung des Strukturwandels arbeitet die Verwaltung bereits mit Hochdruck; konkrete Projekte wie die „Change Factory Eschweiler“, das interkommunale Gewerbegebiet Kinzweiler und der Faktor X Gewerbepark am Kraftwerk sind bereits initiiert und stehen kurz vor der Umsetzung.

 

Auch wenn der Ausstieg aus der Braunkohle den aktuellen Strukturwandel in der öffentlichen Wahrnehmung dominiert, so ist dies nur ein Teil des bevorstehenden Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft, der notwendig ist, um die größten Herausforderungen dieser Zeit - ambitionierter Klima- und Naturschutz, Energie-, Ressourcen- und Mobilitätswende, Digitalisierung, soziale und globale Gerechtigkeit - zu meistern. Dieser Prozess wird auch als „öko-soziale Transformation“ bezeichnet, und vereint wirtschaftlichen Aufschwung sowie soziale Gerechtigkeit mit der Einhaltung der ökologischen Grenzen des Planeten; eine neuere Definition für „Nachhaltige Entwicklung“. Allein der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Sanierung des Gebäudebestandes und die Mobilitätswende, die notwendig sind, um die Klimaschutzziele und die Entkopplung von der globalen Energieabhängigkeit zu erreichen, werden auch in Eschweiler zu deutlichen Veränderungen führen (müssen).

 

Die öffentliche Wahrnehmung der „öko-sozialen Transformation“ wird bisher noch begleitet durch die Angst vor einem wirtschaftlichen und sozialen Abstieg, vor Einschränkungen der persönlichen Freiheit und von Verlust der Kontinuität und Verlässlichkeit.

Verstärkt durch eine wissenschaftlich-theoretische Diskussion und Öffentlichkeitsarbeit der vielen mit dem Strukturwandel „beauftragten“ Institutionen, weitgehend fehlender Beteiligungsformate für die betroffene Bürgerschaft und nur abstrakter positiver „Bilder“ des Wandels und der Zukunft der Menschen, steht die Öffentlichkeit diesem Prozess teils skeptisch, und oftmals mit unzureichendem Informationsgehalt gegenüber.

 

Um dieses Dilemma aufzulösen hat die Stadt Eschweiler die Idee des „Strukturwandelladens“ ins Leben gerufen und zur Umsetzung im Dezember 2020 einen Antrag auf Förderung durch das Bundesmodellvorhaben „Unternehmen Revier“ gestellt. Dieser Antrag wurde dann erst Anfang Oktober 2021 bewilligt.

 

Die oben bereits skizzierte Ausstellung, die interaktiv, digital und spielerisch gestaltet werden soll, soll sowohl den Kohleausstieg und dessen Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund der beschlossenen Klimaschutzziele und der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beleuchten, als auch die räumlichen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Region und insbesondere in Eschweiler darstellen.

Hiermit soll der Öffentlichkeit ein positives Bild der Zukunft vermittelt werden, das sich aus dem bevorstehenden Transformationsprozess ergeben könnte.

Ergänzt werden soll dieses Informationsspektrum um die bereits genannten Themenfelder einer „öko-sozialen Transformation“, um Szenarien, was dies im Speziellen für die Stadt Eschweiler und die Bürger*innen bedeutet und um einen Lösungsansatz, wie diese Herausforderungen gemeistert werden können.

 

Dabei soll bewusst nicht nur auf Information durch Aufzeigen von Hintergrundwissen und Zukunftsperspektiven gesetzt werden, sondern auf eine breite Beteiligung der Menschen vor Ort und aktiven Mitgestaltung der Zukunft unserer Stadt.

 

Begleitet wird die Ausstellung daher neben einem Rahmenprogramm zur Information – Vorträge, Filmabende, Führungen, u.a. – auch durch Zukunftswerkstätten, Workshops, einem offenen Austausch, Ideenwettbewerbe, u.a..

In Anlehnung an den bereits erfolgreich durchgeführten Prozess zur Erarbeitung der Eschweiler Nachhaltigkeitsstrategie kann dieses Format der Bürgerbeteiligung idealerweise genutzt werden, um weitere Impulse für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt im Strukturwandel zu generieren.

Angesprochen werden sollen durch die Formate vor Allem Jugendliche und junge Erwachsene, da sie grundlegend von den Veränderungen des Strukturwandels betroffen sein werden und daher maßgeblich an diesem Prozess mitwirken sollten. Durch die unbeschränkte Zugänglichkeit zur Ausstellung und zu den Beteiligungsformaten kann und soll aber ein generationenübergreifender Diskurs stattfinden.

 

Das Projekt startet in 2022 mit der Konkretisierung der Inhalte und Formate von Ausstellung und Beteiligung. Eine Projektsteuerungsgruppe aus Vertreter*innen der Eschweiler Stadtverwaltung, des Jugendforums Eschweiler und der regionalen Bildungsnetzwerke im Zweckverband Region Aachen und der StädteRegion Aachen, der Zukunftsagentur Rheinisches Revier und evtl. weiterer Akteure wird dies im Konsens erarbeiten. Eine regionale Beteiligung ist dabei ausdrücklich gewünscht, da das Projekt „Strukturwandelladen“ Blaupause für das Rheinische Revier oder andere Strukturwandelregionen werden soll.

Zur konkreten Besetzung der Projektsteuerungsgruppe wird die Verwaltung in den nächsten Wochen auf die Akteure zugehen.

 

Die Ergebnisse der Projektsteuerungsgruppe werden dem Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss bzw. dem Rat präsentiert.

 

Auf Basis der abgestimmten Ergebnisse wird die Verwaltung eine Agentur mit der Umsetzung der Ausstellung beauftragen und einen Zeit- und Maßnahmenplan für die Durchführung der unterschiedlichen Beteiligungsformate erstellen. Im Herbst 2022 soll dann das Ladenlokal in der Innenstadt, welches bis dahin angemietet wurde, eingerichtet werden, so dass die Ausstellung im Frühjahr 2023 eröffnet werden kann. Nach rund 18 Monaten des Betriebs des Strukturwandelladens ist der dauerhafte Umzug in das „Haus des Strukturwandels“ in der Marktstraße 9 geplant. Dieses – eine Förderung vorausgesetzt – könnte in 2024 fertig gestellt werden.

 

Das Förderprojekt hat eine Laufzeit von insgesamt fünf Jahren und soll am 31.12.2025 abgeschlossen werden. Mit dem Umzug der Ausstellung in das „Haus des Strukturwandels“ und der geplanten Fortführung der Beteiligungsformate kann der Prozess auch über die Projektlaufzeit hinaus verstetigt werden.

 


Die Kosten des Förderprojektes belaufen sich auf 217.600 € für 5 Jahre. Die Förderung gemäß Zuwendungsbescheid beträgt 90%. Entsprechende Mittel sind im Haushaltsentwurf 2022 (und in der mittelfristigen Planung) beim Kostenträger 095110101 „Räumliche Planung und Entwicklung“ und dort im Aufwandskonto 5291 0820 sowie im Ertragskonto 4140 0000 vorgesehen.

 


Das Projekt bindet personelle Kapazitäten im Amt 61, und dort in der Stabsstelle nachhaltige Entwicklung. Für die Betreuung der Ausstellung und die Organisation der Beteiligungsformate sind im Projekt Personalkosten für insgesamt 36 Monate im Umfang einer viertel Vollzeitstelle vorgesehen.