Betreff
Symbolische Aberkennung der Ehrenbürgerschaften von Adolf Hitler und Paul von Hindenburg
Vorlage
219/20
Art
Beschlussfassung öffentlich

Der Rat der Stadt Eschweiler distanziert sich ausdrücklich von den Beschlüssen der Eschweiler Stadtverordnetenversammlung vom 31. März 1933, durch die Adolf Hitler und Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerrechte der Stadt Eschweiler verliehen wurden, und erklärt symbolisch die Aberkennung beider Ehrenbürgerschaften.


 

Mit Schreiben an Bürgermeister Bertram vom 8. Juni 2020 fordert die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Eschweiler, dass sich der Rat der Stadt Eschweiler per Beschluss ausdrücklich von den Beschlüssen, durch die Adolf Hitler (1889–1945) und Paul von Hindenburg (1847–1934) am 31. März 1933 zu Eschweiler Ehrenbürgern ernannt wurden, distanzieren möge. Dies unabhängig davon, dass mit dem Ableben eines Ehrenbürgers die Ehrenbürgerrechte automatisch erlöschen.

 

Der damalige Reichskanzler und NSDAP-Chef Adolf Hitler sowie der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg wurden am 31. März 1933 bei der konstituierenden Sitzung des Eschweiler Stadtrates kurz nach der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten einstimmig vom damaligen, am 12. März 1933 gewählten Stadtrat gewählt. Einstimmig heißt in diesem Fall allerdings: mit den Stimmen der Vertreter des Zentrums (10 Sitze), der NSDAP (10 Sitze), der „Liste Strauch“ (1 Sitz) und des „Nationalen Blocks“ (1 Sitz). Die gewählten Vertreter der SPD (4 Sitze) und der KPD (5 Sitze) erschienen nämlich erst gar nicht zu dieser Sitzung; die Sozialdemokraten hatten um „Urlaub“ von der Sitzung gebeten, die KPD war bereits am 20. März 1933, also kurz nach den Kommunalwahlen vom 12. März 1933, reichsweit verboten worden.

 

Eschweilers damaliger Bürgermeister Dr. Hubert Kalvelage (Bürgermeister von 1920 bis zu seinem Tod 1944), ein Zentrumspolitiker, der wie die gesamte Zentrumsfraktion im damaligen Eschweiler Rat noch 1933 zur NSDAP wechselte, begründete die auf Antrag der NSDAP-Fraktion erfolgte Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Hitler und von Hindenburg laut Bericht im „Eschweiler Anzeiger“ vom 1. April 1933 wie folgt: „Es ist beantragt worden, unserem allverehrten Reichspräsidenten, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und unserem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht unserer Stadt zu verleihen. Die Verleihung dieser Auszeichnung soll nur hochverdienten Männern zuteil werden. Diese beiden Männer sind dessen wert und so bitten wir sie denn, aus unserer Hand den Titel des Ehrenbürgers unserer Stadt entgegennehmen zu wollen. Einer besonderen Begründung dafür bedarf es wohl nicht. Wir wissen alle, welche Verdienste sich diese beiden Männer um unser Vaterland und damit auch um unsere Stadt erworben haben. Wir wissen, daß Generalfeldmarschall Hindenburg, der große deutsche Heerführer im Weltkriege, mit seinen braven Truppen die Kriegsgreuel von uns fern gehalten hat. Wir wissen, wie dann der Marschall trotz seines hohen Alters sich für das Amt des Reichspräsidenten entschieden hat. Wir danken Hitler, daß er dem Rufe des Reichspräsidenten als Führer der nationalen Regierung das Amt des Reichskanzlers anzunehmen, gefolgt ist. Wir wissen, daß durch ihn die nationale Einheit herbeigeführt wurde. Seine ganze Manneskraft hat er für dieses Ziel eingesetzt, in zäher Arbeit hat er diesen bedeutenden Erfolg errungen. Darum gebührt diesen Männern unser tiefster Dank. Diesem wollen wir dadurch Ausdruck geben, daß wir die höchste Ehrung, die die Stadt zu vergeben hat, das Ehrenbürgerrecht, diesen beiden Männern verleihen.“ Eine Aussprache hierzu gab es nicht, widerspruchslos wurde der Vorschlag einstimmig angenommen. Im Zuschauerraum gab es lauten Beifall.

 

Die Ernennungen haben laut Protokoll der Stadtverordnetenversammlung vom 31.3.1933 den folgenden Wortlaut:

„Bürgermeister und Stadtverordnete der Stadt Eschweiler haben am 31.3.1933 einstimmig beschlossen, dem Herrn Reichspräsidenten Generalfeldmarschall Paul v. Hindenburg, unserem ruhmvollen Führer in Krieg und Frieden, dem erhabenen Vorbild der Treue und dem Hort der Autorität, dem allverehrten Oberhaupt und Schirmherrn des geeinten Vaterlandes das Ehrenbürgerrecht der Stadt Eschweiler zu verleihen.“

„Bürgermeister und Stadtverordnete der Stadt Eschweiler haben am 31.3.1933 einstimmig beschlossen, dem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler, dem großen Führer der Deutschen Freiheitsbewegung, dem unverzagten willensstarken Kämpfer für die Verbrüderung der deutschen Stämme, in Anerkennung seiner unvergleichlichen Verdienste um die kraftvolle Wiedergeburt der Nation, um Volk und Vaterland, das Ehrenbürgerrecht der Stadt Eschweiler zu verleihen.“

Die Ehrungen sind jeweils gezeichnet: 

„In ehrerbietigster Verehrung!

Der Bürgermeister, die Beigeordneten, die Stadtverordneten“

 

Im Protokoll wird auch vermerkt: „Der Saal ist festlich geschmückt und die Bilder des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg und des Herrn Reichskanzlers Hitler mit Lorbeerkränzen geziert.“ Und: „Zum Schluss der Sitzung wird auf Anregung des Stadtverordneten Sonderkamp das Horst-Wessel-Lied gesungen, nachdem sich die Anwesenden erhoben hatten.“

 

  

Der Rat der Stadt Eschweiler ernannte am 31. März 1933 mit Hitler und von Hindenburg zwei Feinde der Demokratie und der offenen Gesellschaft zu Ehrenbürgern der Stadt. Sie stehen mit ihren Ernennungen in einer Reihe mit den Eschweiler Ehrenbürgern August Thyssen (1882-1926; Ehrenbürger 1922) und Hugo Merckens (1871-1955; Ehrenbürger 1951), deren Andenken zu Recht in Eschweiler noch heute hochgehalten wird, auch wenn ihre Ehrenbürgerrechte formal nach ihrem Tod erloschen sind.

 

Paul von Hindenburg bedankte sich am 3. April 1933 mit einem Schreiben folgenden Wortlauts bei Bürgermeister Dr. Kalvelage für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Für die Ehrung, die mir der Magistrat und die Stadtverordneten der Stadt Eschweiler durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechts erwiesen haben, spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. Ich nehme die Ehrung gerne an und sende Ihnen und meinen neuen Mitbürgern meine besten Wünsche für die Zukunft der Stadt Eschweiler. [Unterschrift von Hindenburg]“

 

Das Dankesschreiben Adolf Hitlers an den Eschweiler Stadtrat ist auf den 12. Mai 1933 datiert. Es hat den folgenden Wortlaut: „Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts von Eschweiler erfüllt mich mit aufrichtiger Freude. Ich nehme die Ehrenbürgerschaft an und bitte, dem Stadtrat meinen ergebensten Dank sowie meine besten Glückwünsche für das Blühen und Gedeihen von Eschweiler aussprechen zu dürfen. Mit deutschem Gruss! [Unterschrift Adolf Hitler]“

 

Auch wenn Hitler und von Hindenburg formaljuristisch seit ihrem Tod keine Ehrenbürger Eschweilers mehr sind, besteht die Möglichkeit, ihnen die Ehrenbürgerschaft symbolisch nachträglich abzuerkennen, indem sich der aktuelle Stadtrat von der Ernennung Hitlers und von Hindenburgs zu Ehrenbürgern Eschweilers ausdrücklich distanziert. Zahlreiche Kommunen in Deutschland sind bereits mittels entsprechender Erklärungen bzw. Beschlüsse diesen Weg gegangen.

 

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Eschweiler schlägt in ihrem Schreiben vom 8. Juni 2020 vor, dass die Stadt Eschweiler ebenso verfahren sollte. Mit einem entsprechenden Beschluss zur öffentlichen Distanzierung würde sie „ein gerade in der heutigen Zeit leider wieder notwendiges öffentliches Signal gegen Faschismus, Diktatur und Rassismus setzen und gleichzeitig deutlich machen, dass sie einen bewussten Umgang mit ihrer Vergangenheit pflegt.“ Die Verwaltung empfiehlt, sich dieser Sicht anzuschließen und dem Beschlussvorschlag zuzustimmen.


keine

 


keine