Betreff
Neuausrichtung der Inklusion in den weiterführenden Schulen
Vorlage
321/18
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Wie den Medien bereits zu entnehmen war, hat die Landesregierung ihre Pläne zur Neuausrichtung der schulischen Inklusion ab dem Schuljahr 2019/20 vorgestellt. Nachfolgend werden die wesentlichen (schulträgerrelevanten) Eckpunkte näher erläutert. Vorab wird darauf hingewiesen, dass das Landesministerium für Schule und Bildung (MSB NRW) bisher nur einen Erlassentwurf eingebracht hat, der als Anlage 1 beigefügt ist.

 

Im Primarbereich soll weiterhin vorrangig das Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“ gelten. Das Land möchte die Inklusion an den Grundschulen daher in erster Linie mit zusätzlichen Ressourcen fördern. Mit dem Haushalt 2018 wurden bereits 600 zusätzliche Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte an den Grundschulen zur Verfügung gestellt, davon wurde eine halbe Stelle an einer Eschweiler Grundschule (EGS) eingerichtet. Ein weiterer Ausbau der Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte um knapp 600 Stellen zur Unterstützung und Stärkung der Grundschulen im kommenden Jahr ist angekündigt („Masterplan Grundschule“).

 

Im Wesentlichen sollen konkrete Veränderungen im Sekundarbereich des Regelschulsystems erfolgen. Sie werden nachfolgend erläutert:

 

  1. An Gymnasien soll die sonderpädagogische Förderung i.d.R. nur noch zielgleich stattfinden (dh. kein gemeinsames Lernen mehr in den Förderschwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung an Gymnasien). Die Schaffung einer Möglichkeit zur zieldifferenten Förderung soll aber freiwillig noch stattfinden können.
  2. An allen anderen weiterführenden Schulen soll die zieldifferente Förderung der Förderschwerpunkte Lernen und Geistige Entwicklung weiterhin verpflichtend bleiben. Allerdings sollen die Schulaufsichtsbehörden dafür Sorge tragen, dass die für die schulische Inklusion bereitgestellten Ressourcen an Schwerpunktschulen gebündelt werden. Hierfür kommen vornehmlich diejenigen Schulen in Betracht, die schon jetzt mit Zustimmung des Schulträgers als Schulen des Gemeinsamen Lernens eingerichtet sind. Die Einrichtungsentscheidung soll ggf. erneut getroffen werden, sodass manche Schulen, die bislang Schulen des Gemeinsamen Lernens (GL) gewesen sind, diesen Status künftig nicht mehr erhalten könnten und folglich keine Inklusionsleistungen mehr zu erbringen hätten. Die Schulaufsichtsbehörde soll GL nur noch unter folgenden Voraussetzungen einrichten dürfen:

·         Die Schule muss über ein pädagogisches Konzept zur inklusiven Bildung verfügen.

·         An der Schule müssen Lehrkräfte für die sonderpädagogische Förderung unterrichten und pädagogische Kontinuität gewährleisten.

·         Das Kollegium muss systematisch fortgebildet werden.

·         Die räumlichen Voraussetzungen müssen gegeben sein.

·         Die Zahl von durchschnittlich drei Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung pro Eingangsklasse muss erreicht werden.

 

            Die bessere Unterstützung der Schulen des GL soll insbesondere auch durch eine Herabsetzung der             Klassenfrequenzrichtwerte und einen besseren Personalschlüssel erfolgen. Die neue Inklusionsformel:    25 – 3 -1,5 bedeutet konkret, dass die Schulen durchschnittlich nur noch 25 Schüler pro       Eingangsklassen aufnehmen, wenn davon durchschnittlich drei mit Bedarf an sonderpädagogischer             Unterstützung unterrichtet werden. Für jede dieser Klassen erhält die Schule eine halbe       zusätzliche       Stelle.

  1. Die Neuausrichtung der Inklusion soll mit dem Schuljahr 2019/20 beginnen. Die neue Systematik soll dann in der Jahrgangsstufe 5 eingeführt und schrittweise weiter aufwachsen, bis im Schuljahr 2024/25 der Endausbau erreicht und die komplette Sekundarstufe I umgestellt ist.
  2. Bis zum Endausbau sollen insgesamt 9.133 zusätzliche Stellen zur Unterstützung des GL zur Verfügung stehen, das wären im Vergleich zur Situation im Vorfeld des Schuljahres 2017/2018 rund 6.000 zusätzliche Stellen für die Inklusion im Sek. I-Bereich.

 

Veränderungen im Förderschulsystem:

 

Neben den Regelschulen sollen auch die Förderschulen gestärkt werden. Hierzu sollen die suspendierten Mindestgrößenvorgaben mit Wirkung ab dem Schuljahr 2019/20 dauerhaft novelliert werden. Der Entwurf einer modifizierten Mindestgrößen-Verordnung ist als Anlage 2 beigefügt.

 

Schulträger sollen zudem die Möglichkeit erhalten, für ein wohnortnahes Förderschulangebot in der Sekundarstufe I Förderschulgruppen als Teilstandorte von Förderschulen am Standort einer allgemeinen weiterführenden Schule einzurichten. Dadurch soll ein wohnortnahes Förderschulangebot entwickelt oder erhalten werden können, das zwar nicht auf GL im Unterricht zielt, Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung aber einen Weg zur Teilhabe am Schulleben einer allgemeinen Schule ermöglicht.

 

Bewertung durch den Städte- und Gemeindebund (StGB NRW):

 

Mit Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes  vom 13.7.2018 hat der Städte- und Gemeindebund gegenüber seinen Mitgliedsstädten und –gemeinden eine erste Bewertung der geplanten Maßnahmen des Landes abgegeben, die nachfolgend in den wesentlichen Teilen kurz zusammengefasst wiedergegeben wird:

 

  • Der StGB wünscht sich eine klare Beantwortung der Frage, welcher Grad an schulischer Inklusion durch die VN-Behindertenrechtskonvention geboten ist, durch den Landesgesetzgeber.
  • Die Landesregierung betont, dass sie nur die bestehende Gesetzeslage konsequent und in Abstimmung mit den Schulträgern umsetzen möchte. Die Beschränkung auf die Änderung der Erlasslage würde derweil auch rechtspraktische Fragen aufwerfen. Denn § 2 Abs. 5 SchulG gewährt jungen Menschen mit Behinderung ein Recht auf gemeinsame Beschulung mit jungen Menschen ohne Behinderung. Fraglich ist, ob eine Einschränkung dieses Rechts (z.B. im Bereich der Gymnasien bzw. auf Schwerpunktschulen) ohne vorherige Änderung der Rechtslage Bestand haben kann.
  • Der StGB weist auf evt. finanzielle Folgen für die Schulträger hin, die alleine über den Belastungsausgleich nicht zu stemmen sein könnten. Außerdem könnten möglicherweise Schülerfahrtkosten steigen.
  • Grundschulen sollen weiterhin als Schulen des GL bestehen bleiben, ohne die hierfür in Zukunft geltenden, strengeren Voraussetzungen zu erfüllen. Dies gelte es zu hinterfragen.
  • Hinsichtlich der MindestgrößenVO wird darauf hingewiesen, dass eine Regelung für Ausnahmen fehlt, die es bis 2013 noch gab, so dass die Mindestschülerzahl bis zu 50 % unterschritten werden durfte, wenn die schulorganisatorischen Verhältnisse  oder die Gewährleistung eines zumutbaren Schulbesuchs dies erforderten. Diese fehlende Ausnahmeregelung führt zu fehlender Flexibilität für die Schulträger und könnte vereinzelt bereits bei minimalen Unterschreitungen der Mindestgrößenvorgaben erneut zu Schulschließungen führen.
  • Weiterhin wurden ernsthafte Bedenken dazu erhoben, die Mindestgrößenvorgaben für Förderschulen in Gestalt einer Verordnung zu regeln, zumal für sämtliche andere Schulformen die Mindestgrößen formal-gesetzlich geregelt sind.

 

Vorgehensweise in der StädteRegion Aachen – Auswirkungen für Eschweiler

 

Am 08.10.2018 fand eine der regelmäßig auf Einladung der unteren Schulaufsicht anberaumten Inklusionsrunden in der StädteRegion Aachen statt, an der Vertreter aller Schulaufsichten für alle Schulformen der weiterführenden Schulen und alle Schulträgervertreter der städteregionsangehörenden Städte und Gemeinden teilnehmen.

 

Die Eckpunkte zur Neuausrichtung der Inklusion wurden durch die Schulrätin Frau Wollgarten vorgestellt. Als Arbeitsauftrag daraus wurde abgeleitet, von der Inklusionsrunde an diesem Tag einen Beschluss darüber herbeizuführen, in welcher Stadt welche Schwerpunktschulen des GL bei den weiterführenden Schulen nach einer festzulegenden Prioritätenabfolge für das kommende Schuljahr 2019/20 eingerichtet werden bzw. bestehen bleiben sollten. Als Grundlage für diese Entscheidungen wurde seitens des Schulamtes der voraussichtliche Bedarf an GL-Plätzen für das Schuljahr 2019/20 in den Eingangsklassen der weiterführenden Schulen zuzüglich eines 10 %-igen Aufschlags für Neudiagnostizierte und Förderschulkinder, die auf eine Regelschule wechseln möchten, ermittelt und zugrunde gelegt.

 

Für Eschweiler sei danach von 27 benötigten GL-Plätzen im nächsten Schuljahr auszugehen. Bisher wurde an allen weiterführenden Schulen der Stadt Eschweiler GL angeboten. Auf der Grundlage des neuen Erlassentwurfes müssten bei den aktuellen Zügigkeiten  demnach

12 Plätze an der Gesamtschule Waldschule

 6 Plätze an der Adam-Ries-Hauptschule und

15 Plätze an der Realschule Patternhof und

 9 am Städt. Gymnasium eingerichtet werden bei den geforderten 3 GL-Kindern pro Eingangsklasse.

 

Da dieses Schulangebot weit über dem Bedarf läge, sollte die Inklusionsrunde beschließen, welche Schule künftig nicht mehr GL-Standort bleibt. Die Mitglieder der Inklusionsrunde fassten einstimmig den Beschluss, dass das städt. Gymnasium künftig kein GL-Standort mehr sein soll. Dieser Beschluss begründet sich zum einen damit, dass an Gymnasien nach dem Erlassentwurf nur noch zielgleich gefördert werden darf, so dass für eine Vielzahl von GL-Kindern der Schulstandort nicht in Frage kommen wird. Zum anderen wurde das Gymnasium als GL-Schule bisher auch nur vereinzelt nachgefragt.

 

Diese Entscheidung hat keinen Einfluss auf die bisher am Gymnasium inklusiv beschulten Schüler. Diese können auch weiterhin dort mit sonderpädagogischer Unterstützung im bisherigen Umfang beschult werden. Auch sind weiterhin Einzelfallförderungen möglich.

 

Einigung erzielt wurde hinsichtlich der drei verbleibenden weiterführenden Schulen dahingehend, dass diese mit folgender Priorisierung als GL-Schulen in Eschweiler bestehen bleiben sollen im Schuljahr 2019/20:

 

  1. Gesamtschule Waldschule

Sie ist als Schule des nicht gegliederten Schulsystems als Schule des gemeinsamen Lernens prädestiniert, wenngleich sie aufgrund ihrer baulichen Topographie für den Förderschwerpunkt Körperliche und Motorische Entwicklung oftmals eher eingeschränkt geeignet ist. Leider wurde sie im letzten Schuljahr nur von 6 GL-Kindern nachgefragt, so dass die ursprünglich vorgenommene Einschränkung der Klassenfrequenz zulasten der GL-Kinder wieder nachträglich aufgegeben werden musste. Dennoch wird der GL aus pädagogischer Sicht an einer Gesamtschule als sinnvoll etabliert angesehen.

 

  1. Adam-Ries-Schule, Gemeinschaftshauptschule

            Die Adam-Ries-Schule ist die einzige weiterführende Schule der Stadt Eschweiler, die die räumlichen             Voraussetzungen zur Beschulung von Kindern mit dem Förderschwerpunkt körperliche/motorische           Entwicklung hat, da alle Etagen dort mit Aufzug erreichbar sind. Ungeachtet dessen hat diese Schule             seit Jahren Erfahrung im GL und sich auch jetzt bereits auf den Weg gemacht, das geforderte            Inklusionskonzept zu erstellen. Aus Schulträgersicht ist der GL-Standort in jedem Fall aufrecht zu           erhalten, wenngleich die Elternnachfrage in den letzten beiden Jahren eher zurückhaltend war. Wie             auch in der Gesamtschule gelangten nur 6 Kinder zur Anmeldung.

            Oftmals erhöht sich die Anzahl der GL-Kinder aber auch im Laufe einer Schullaufbahn an der GHS           durch Seiteneinsteiger, so dass erst in den höheren Jahrgangsstufen ein GL-Zuwachs zu verzeichnen   ist.

 

  1. Realschule Patternhof

Die Realschule Patternhof wurde auf Platz 3 der Rangfolge gesetzt, obwohl sie von den Eltern bis vor zwei Jahren noch stark für den GL nachgefragt wurde. Dennoch wurde aufgrund der auch dort – ähnlich wie in der Gesamtschule – nur eingeschränkt bestehenden Möglichkeit körperbehinderte Schüler ohne großen baulichen Aufwand beschulen zu können, der Hauptschule ein höherer Rang zugeordnet.

 

 

In der Inklusionsrunde wurden bisher keiner Schule bestimmte Förderschwerpunkte zugeordnet, wenngleich dies seitens der Schulaufsicht gerne umgesetzt worden wäre. Die Schulträgervertreter haben sich aber diesbezüglich einheitlich zurückhaltend verhalten. Vor dem Hintergrund der damit im Einzelfall auch ggf. verbundenen Investitionskosten sollte hierzu bedarfsorientiert im Einzelfall entschieden werden.

 

Ungewiss ist – wie bereits in der zitierten seitens des STGB geäußerten Kritik formuliert – ob die Eltern der GL-Kinder künftig einen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Schulform oder gar Schule haben werden und wie dieser ggf. bestehende Rechtsanspruch mit der durch die Bildung von Schwerpunktschulen hervorgerufenen eingeschränkten Wahlmöglichkeit einhergehen soll. Insofern bleibt abzuwarten, ob der Erlassentwurf diesbezüglich eine Änderung erfahren wird.

 

Die von der Inklusionsrunde getroffene Entscheidung musste zum jetzigen Zeitpunkt getroffen werden, da die GL-Schulen bis zum 15.12.2018 dem Land gegenüber benannt sein müssen und die Bezirksregierung bis zum 26.10.2018 um Abgabe der Vorschläge gebeten hat.

Da diese Entscheidung auch Auswirkungen auf das Anmeldeverfahren bei den weiterführenden Schulen hat, musste zwingend vor Beginn des Anmeldeverfahrens diesbezüglich Klarheit geschaffen werden.

Wie eingangs erwähnt, dürfen GL-Schulen nur noch Eingangsklassen mit durchschnittlich 25 Kindern bilden, so dass die Aufnahmekapazität z.B: bei der Gesamtschule im Anmeldeverfahren zunächst auf 100 begrenzt würde. Ohne GL- Angebot könnten 4x 29 = 116 Kinder aufgenommen werden, bisher konnten mit GL 108 Kinder aufgenommen werden.

 

Die Gesamtschule befindet sich im vorgezogenen Anmeldeverfahren und kann erst nach Ablauf des Anmeldeverfahrens ggf. in einem zweiten Nachrückverfahren weitere Kinder aufnehmen, wenn sich weniger als 3 x 4 GL Kinder, also insgesamt 12 anmelden. Auch dies ist für die Schule unbefriedigend.

 

Als Fazit ist festzuhalten, dass noch viele Grundsatz- und Detailfragen ungeklärt sind, die Schulträger und Schulaufsicht dennoch gezwungen sind, aktuell Entscheidungen zur Bildung von Schwerpunktschulen unter dem Vorbehalt der Umsetzung des im Entwurf sich befindlichen Erlasses zu treffen, um den Schulen eine Rechtssicherheit im bevorstehenden Anmeldeverfahren Anfang des Jahres 2019 zu geben.

 

Letztlich kann der Schulträger nur die Rahmenbedingungen schaffen, die als ein Baustein zum Gelingen von inklusiver Bildung anzusehen sind. Als wesentlicherer Gelingensfaktor wird seitens der Verwaltung  allerdings die Sicherstellung einer adäquaten Lehrerversorgung und -fortbildung gesehen, für die das Land verantwortlich ist und bleibt.

 


Finanzielle Auswirkungen sind mit der Umsetzung des Sachverhaltes noch nicht verbunden. Grundsätzlich sind inklusionsbedingte Mehrbedarfe über den Belastungsausgleich zu decken, den das Land pauschal zur Verfügung stellt. 

 


Personelle Auswirkungen für den Schulträger sind mit der Umsetzung des Sachverhaltes nicht verbunden.