Betreff
Modellprojekt "Global Nachhaltige Kommune NRW"
hier: Sachstand
Vorlage
047/18
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Seit Dezember 2015 ist die Stadt Eschweiler mit weiteren 14 Städten, Gemeinden und Landkreisen am Modellprojekt „Global Nachhaltige Kommune NRW“ beteiligt. Ziel dieser Teilnahme ist es, den bereits im Jahr 2009 begonnenen Prozess zur nachhaltigen Entwicklung „Eschweiler 2030“ fortzuführen, die geschaffenen verwaltungsinternen, ämterübergreifenden Arbeitsstrukturen zu festigen und zusätzlich die Handlungsperspektive auch um den Aspekt der globalen Verantwortung zu erweitern. Mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen, wie zum Beispiel den Strukturwandel in Eschweiler, die fortschreitende demografische Entwicklung, die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft, die Energie- und Mobilitätswende, die Veränderungen des Wohnungsmarktes und der sozialen Strukturen der Gesellschaft steht die Stadt vor der großen Aufgabe, diese Entwicklungstrends frühzeitig zu erkennen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten muss sie die entsprechenden Strukturen schaffen, damit Eschweiler sich weiterhin positiv entwickelt und die Stadt auch im Jahr 2030 noch sozial, familienfreundlich, tolerant und lebenswert ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die VV 165/16 verwiesen.

In den letzten zwei Jahren hat die Stadt Eschweiler gemeinsam mit zahlreichen Akteuren aus Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit die Grundlagen für die Erarbeitung der ersten Nachhaltigkeitsstrategie für Eschweiler geschaffen. In insgesamt fünf Sitzungen der Steuerungsgruppe wurden im Zeitraum von September 2016 bis Oktober 2017 die Handlungsfelder einer nachhaltigen Entwicklung in Eschweiler

-           „Arbeit und Wirtschaft“,

-           „Bildung“,

-           „Gesellschaftliche Teilhabe und Gender“,

-           „Natürliche Ressourcen und Umwelt“,

-           „Konsum und Lebensstile“ sowie

-           „Globale Verantwortung und Eine Welt“

als Schwerpunktthemen für eine zukünftige Entwicklung gewählt und dazu die strategischen und operativen Ziele sowie erste konkrete Maßnahmen erarbeitet. Diese werden sich im Handlungsprogramm der Nachhaltigkeitsstrategie wiederfinden.

Ziele in diesen Handlungsfeldern sind unter anderem:

-           die Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen über alle Qualifizierungsstufen,

-           die Bereitstellung von (bezahlbarem) Wohnraum und die Erhaltung eines attraktiven Wohnumfeldes,

-           die Attraktivierung der Innenstadt durch eine ansprechende und bunte Mischung aus Einzelhandels-, Erlebnis- und Kulturangeboten,

-           die Umstellung des Strombezugs für städtische Gebäude auf 100% Ökostrom,

-           die Erhaltung der innenstädtischen, öffentlich nutzbaren Grünflächen,

-           die Erarbeitung eines Bildungskonzeptes mit dem Schwerpunkt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“,

-           die Steigerung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf,

-           den Ausbau des Angebotes an fair und nachhaltig produzierten Produkten in allen Bereichen
(Weiterentwicklung der Fairtrade-Stadt Eschweiler),

-           eine faire und nachhaltige Beschaffung in der Stadtverwaltung und

-           der Aufbau einer Projektpartnerschaft mit einer Kommune im globalen Süden.

Mit dieser Nachhaltigkeitsstrategie und dem Handlungsprogramm zur nachhaltigen und integrierten Entwicklung vor Ort wird Eschweiler als eine der ersten Kommunen weltweit die globalen Nachhaltigkeitsziele der 2030-Agenda in ein integriertes kommunales Entwicklungskonzept überführen. Zahlreiche Kommunen in Deutschland und weltweit haben großes Interesse an den Ergebnissen des Modellprojektes gezeigt und wollen dem Eschweiler Beispiel folgen.

Der Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie wird derzeit vom verwaltungsinternen Organisationsteam des Projektes erstellt. Abschließend wird das Papier mit der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V. (LAG 21 NRW) und der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von ENGAGEMENT GLOBAL abgestimmt. Die LAG 21 und die SKEW haben im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dieses Projekt durchgeführt und die Stadt bei der Erarbeitung intensiv begleitet und beraten.

Die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Eschweiler wird in der Sitzung des Stadtrates am 11.04.2018 vorgestellt und dem Rat zur Beratung vorgelegt werden.

 

In intensiven Gesprächen mit der SKEW wurden der Stadt Eschweiler zahlreiche Fördermöglichkeiten zur Stärkung ihrer entwicklungspolitischen Aufgaben im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung mit globaler Verantwortung aufgezeigt. Daraus erwachsen ist die Förderung einer zuerst auf zwei Jahre begrenzten Stelle für eine/einen „Koordinatorin / Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik“, die aktuell ausgeschrieben und beim Amt 23 – Amt für Wirtschaftsförderung, Liegenschaften und Tourismus angesiedelt wird. Zum Aufgabengebiet wird u.a. die Umsetzung eines Teils des Handlungsprogramms der Nachhaltigkeitsstrategie, deren Weiterentwicklung sowie die Entwicklung von Projekten gehören, die gemeinsam mit Partnern aus Ländern des globalen Südens umgesetzt werden sollen.

 

Auf Anregung und mit Unterstützung durch die Getúlio Vargas-Stiftung (Fundação Getulio Vargas, kurz: FGV) – die größte brasilianische „Denkfabrik“ mit ihrer europäischen Niederlassung in Köln - wird die Stadt Eschweiler als ersten Schritt zur Entwicklung von Partnerschaften mit dem globalen Süden im Frühjahr 2018 Vorbereitungen zur Gründung einer Kooperation mit der südamerikanischen Stadt Alta Floresta im Norden des Bundesstaates Mato Grosso in Brasilien treffen, um gemeinsam einen entwicklungsstrategischen Austausch auf Augenhöhe zu begründen, wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen und Projekte zum Natur- und Klimaschutz vor Ort zu realisieren.

Dazu fand in Eschweiler bereits im Januar 2017 das erste Treffen zwischen Vertretern der brasilianischen Stadt Alta Floresta und der Stadt Eschweiler statt. Auf Einladung des Bürgermeisters von Alta Floresta ist für den März 2018 ein Gegenbesuch geplant. Dank der Beteiligung im Projekt „Global Nachhaltige Kommune NRW“ und der Unterstützung durch die SKEW kann die Delegationsreise nach Brasilien zu 100% aus Landes- und Bundesmitteln finanziert werden. Bei diesem Austausch beider Kommunen vor Ort sollen die Rahmenbedingungen der Kooperation strategisch und inhaltlich erarbeitet werden. Im Anschluss wird dem Rat die abgestimmte Kooperationsvereinbarung zur Beratung vorgelegt.

Im Unterschied zu den klassischen Städtepartnerschaften soll bei der geplanten Kooperation mit Alta Floresta ein besonderer Schwerpunkt auf eine „Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe“ gelegt werden. Aus dieser soll einerseits eine enge Kooperation zwischen den beiden Kommunen, u.a. in den Bereichen Wirtschaftsförderung, Strukturwandel, Land- und Forstwirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie Naturschutz erwachsen und andererseits weitere Partner aus diesen Bereichen aus den beiden Regionen zusammengebracht werden. Eschweiler kann so als Mittler zwischen der Wirtschaftsregion Aachen und der brasilianischen „Regenwald-Metropole“ auftreten und gleichzeitig ihre entwicklungspolitischen Ziele bestärken.

Alta Floresta, heute eine Stadt mit rund 50.000 Einwohnern im Süden des Amazonas, wurde in den 1970er Jahren im Regenwald gegründet. Dem Plan, mit kleinbäuerlichen Strukturen ökologische Produkte anzubauen, folgte in den 1980er Jahren eine kurze Phase des „Goldrausches“. Dem Goldabbau und der anschließenden Viehzucht fiel ein Großteil des unberührten Regenwaldes zum Opfer. Heute kehrt Alta Floresta wieder zu den Wurzeln zurück und baut seine Zukunft auf Ökotourismus und ökologischer Landwirtschaft auf. Der Schutz und die Wiederaufforstung des Regenwaldes sind Ziele der Gemeindeverwaltung. Die letzten Schutzgebiete des Regenwaldes bieten heute noch die größte Artenvielfalt im Amazonasbecken.

Da beide Kommunen einen intensiven Strukturwandel durchleben und sich daher den zukünftigen Herausforderungen durch nachhaltiges Handeln gleichermaßen stellen wollen, können Alta Floresta und Eschweiler deutlich voneinander lernen. Gemeinsam wollen sie ihr Handeln nachhaltiger und mit mehr globaler Verantwortung gestalten, Synergien nutzen und ihre wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung noch effektiver umsetzen.

Ein gutes Beispiel für eine nachhaltige Kooperation könnte sein, den ökologischen Eingriff und die Klimabelastung eines Industrieunternehmens in Eschweiler (oder der Region Aachen) – Flächenverbrauch, Versiegelung, Energieverbrauch und CO2-Emissionen – durch Wiederaufforstung, Renaturierung oder Erneuerbare Energien in Alta Floresta auszugleichen. Ferner sind direkte Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen und landwirtschaftliche Kooperationen denkbar. Als Fairtrade-Stadt könnte Eschweiler durch direkten Bezug von ökologisch und fair produzierten Gütern aus Alta Floresta (und darüber hinaus) oder den Aufbau von Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen beider Kommunen deutlich profitieren.

Für den Ausbau und die Intensivierung der Kooperation mit Alta Floresta stehen weitere Fördermittel von Bund und Land zur Verfügung, um beispielsweise Klimaschutz- und Bildungsprojekte oder Projekte zum Ausbau der Erneuerbaren Energien vor Ort umzusetzen.

 


Die inhaltliche und organisatorische Betreuung der Stadt Eschweiler durch die LAG 21 und die SKEW bei der Erstellung des Handlungsprogramms bzw. der Nachhaltigkeitsstrategie sowie die Teilnahme an den Netzwerktreffen ist kostenlos und wird vollständig über den Projektträger LAG 21 im Rahmen des Projektes „Global Nachhaltige Kommune NRW“ abgedeckt.

Die Umsetzung einzelner Maßnahmen, soweit sie mit zusätzlichen finanziellen Mitteln verbunden sind, steht unter dem Vorbehalt der jährlichen Etat- und Konsolidierungsbeschlüsse des Rates.

Die Aufwendungen für die Delegationsreise sowie die Personalkosten für die Stelle der/des „Koordinatorin / Koordinators für kommunale Entwicklungspolitik“ werden über die Förderprogramme „Kleinprojektefonds Kommunale Entwicklungspolitik“ bzw. „Koordination kommunaler Entwicklungspolitik“ der Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert. Der Stadt stehen 173.179 € an Fördermitteln zur Verfügung. Dies entspricht einer 90%-Förderung. Der 10%-ige Eigenanteil wird durch die Staatskanzlei NRW als Zuschuss gedeckt.

 


Die interne Organisation und Durchführung des Modellprojektes „Global Nachhaltige Kommune NRW“ wird durch städtisches Personal erbracht, dabei werden die Aufgaben des Organisationsteams auf mehrere Organisationseinheiten verteilt. Im Rahmen des o.a. Förderprogrammes wird die Stelle einer/eines „Koordinatorin / Koordinators für kommunale Entwicklungspolitik“, eingerichtet, die beim Amt 23 angesiedelt wird.