Betreff
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge- derzeitige Situation und aktuelle Entwicklungen
Vorlage
330/17
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Zuletzt wurde durch Vorlage 131/16 sowie im Jahresbericht des Jugendamtes (VV 176/17) über die Situation der Gruppe der sogenannten minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge (umF bzw. umA) berichtet. Da die Entwicklung in diesem Bereich (Fallbestand, Problemlagen, Herausforderungen etc.) dynamisch ist, berichtet die Verwaltung in regelmäßigen Abständen über diese besondere Zielgruppe.

 

Wie ist die aktuelle Betreuungssituation beim Jugendamt Eschweiler?

 

Nach dem anzuwendenden Verteilungsschlüssel im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher besteht für die Stadt Eschweiler grundsätzlich eine Aufnahmeverpflichtung für 41 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Tatsächlich werden aktuell durch das Jugendamt Eschweiler 71 umF betreut (Stand 01.10.2017), was einer Quotenerfüllung von 173 % entspricht.

 

Diese schlüsseln sich weiterhin folgendermaßen auf:

 

1. Verteilung Jungen/ Mädchen

 

 

2. Alter

 

 

 

 

3. Herkunftsstaaten

 

Die Jugendlichen kommen vor allem aus den Staaten Guinea und Afghanistan, aber auch aus Somalia, Senegal, Elfenbeinküste, Angola, Syrien, Irak, Nigeria, Eritrea, Mali, Guinea-Bissau und Marokko.

 

4. Unterbringung

 

 

Durch die Vielzahl von Unterbringungen von umF direkt in Eschweiler ist in der Hilfeplanung wesentlich leichter, sozialräumliche Ressourcen zu aktivieren und nutzbar zu machen. Das ist vor allem auch auf dem Hintergrund zu sehen, dass in der Arbeit mit den Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen festgestellt werden kann, dass sich die Bedürfnisse weiterhin oft an einer schnellen schulischen oder beruflichen Weiterentwicklung orientieren. Bestehende Kooperationen mit Schulen und Ausbildungsbetrieben können so in die Hilfeprozesse einfließen.

 

Auch Eltern- und Heimatkontakte nehmen einen breiten Raum ein und haben oft einen spürbaren Einfluss auf die Entwicklung der jungen Menschen. Hohes Autonomiestreben (Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit; eigener Wohnung etc.) treffen zudem auf vorhandene Realitäten (z.B. fehlende Wohnungen) oder noch bestehende Defizite (mangelnde Sprachkenntnisse, rechtlich unsicherer Status etc.). Im Rahmen des dialogischen Prozesses der Hilfeplanung müssen diese Bedarfe immer wieder zwischen den Beteiligten thematisiert und vereinbart werden. Auch „Alltagsprobleme“ von Jugendlichen treten dabei verstärkt in den Vordergrund: Der Wunsch Freunde zu treffen, Anbindung an Vereine oder die Diskussion über Regeln in den Einrichtungen.

 

Generell kann aufgrund der reduzierten Flüchtlingszahlen festgestellt werden, dass Angebote der vorläufigen Inobhutnahme (§ 42 a SGB VIII) und der Inobhutnahme/ Clearing (§ 42 SGB VIII) durch die Träger beendet oder in andere Gruppenformen mit Beteiligung der öffentlichen Träger bzw. der Heimaufsicht umgewandelt werden.

Zudem werden die „klassischen“ Angebote der Regel- und Intensivgruppen, vor allem hier in Eschweiler um zahlreiche Angebote des „betreuten Wohnens“ ergänzt. Diese Gruppenform mit einer zum Regelbereich reduzierten Betreuungsintensivität ist gut geeignet, zum einen den Wunsch zunehmender Autonomie und zum anderen die noch benötige Hilfe und Unterstützung zu gewährleisten. Auch die teilweise anschließenden ambulanten Hilfen haben sich mit ihren Konzepten den bestehenden Bedarfslagen angepasst: Kenntnisse des örtlichen Wohnungsmarktes, guter Kontakt zu Schulen und Ausbildungsbetrieben und anderen Sozial-leistungsträger sind dabei entscheidende Wirkungsfaktoren ambulanter Hilfen.

 

Neben diesen Angebots-und Strukturveränderungen im Bereich der Jugendhilfe ist festzustellen, dass sich auch andere „Rechtskreise“, Institutionen oder Vereine und Verbände auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Personengruppe eingestellt haben und oft in kommunal organisierten Arbeitskreisen zusammenarbeiten, in Eschweiler beispielsweise in der Jugendberufsagentur (vgl. VV 340/17) oder in einem speziellen Arbeitskreis „umF“ am Berufskolleg.

 

 

 

Welche besonderen Belastungen sind in der Hilfeplanung festzustellen?

 

Durch die Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des „umF-Fachteams“ wird formuliert, dass bei einer Vielzahl von umF psycho-soziale Belastungen festzustellen sind. Internalisierende oder externalisierende Auffälligkeiten bzw. persönliche oder soziale Probleme werden vor allem dann verstärkt, wenn asyl- bzw. ausländerrechtliche Verfahrensschritte anstehen. In den Hilfeverläufen entwickelt sich dann das Asylverfahren oft als „Schatten- und Parallelverfahren“ der Hilfeplanung: Es ist langwierig, teilweise intransparent und je nach Ausgang im Erleben der Betroffenen existenziell bedrohlich.

 

Behandlungsangebote sind zwischenzeitlich verstärkt vorhanden (KJPP, Erziehungsberatungsstellen, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten mit spezifischen Fachkenntnissen etc.), werden aber oft durch die Betroffenen nach hiesiger Einschätzung noch unzureichend genutzt.

 

Für Eschweiler kann allerdings erfreulicherweise berichtet werden, dass sich der überaus größte Teil der Hilfeverläufe positiv gestaltet. Ein Indikator dazu ist beispielsweise die berufliche Integration; so konnten alleine in diesem Jahr 9 Jugendlichen bzw. junge Heranwachsende in Berufsausbildungen vermittelt werden. Zahlreiche weitere umF konnten zudem eigenen Wohnraum finden bzw. die Hilfen konnten erfolgreich eingestellt werden.

 

Abzuwarten bleibt die weitere Entwicklung im Bereich der vorläufigen Inobhutnahme gem. § 42 a SGB VIII. Der Rückgang der Flüchtlingszahlen ist massiv spürbar. Über die Bundespolizeiwache Eschweiler werden nur noch sporadisch Jugendliche dem Jugendamt zugeführt. Insofern ist in enger Abstimmung mit dem Träger, Haus St. Josef, Kinder- Jugend- und Familienhilfe, geplant, die Erstaufnahmeeinrichtung St. Michael bis spätestens zum Jahresende zu schließen. Vorläufige Inobhutnahmen sollen dann zukünftig über integrierte Plätze in den speziellen Notaufnahmestellen aufgefangen werden.


Die Abrechnung der Fall-/Sachkosten erfolgt nach den Kostenerstattungsvorschriften des SGB VIII vollumfänglich durch das Land NRW, die die Aufgabe nach § 15a AG-KJHG den Landschaftsverbänden (LVR) übertragen hat. Das LVR-Landesjugendamt Rheinland ist somit als überörtlicher Träger für alle Jugendhilfeaufwendungen der rheinischen Jugendämter und somit auch für die Aufwendungen der umA erstattungspflichtig.

 

Die Aufwendungen werden über das bei Produkt 06 363 01 01 – Hilfen für junge Menschen und ihre Familien – geführte Sachkonto 53320800 – Aufwendungen unbegleitete minderjährige Ausländer – abgewickelt; die Einnahmen werden auf das Sachkonto 44821101 – Erstattung Jugendhilfeträger umA – gebucht.

 

In den letzten Monaten konnten bereits einige Jugendhilfefälle erfolgreich abgeschlossen bzw. eingestellt werden. Perspektivisch ist davon auszugehen, dass bis Mitte des nächsten Jahres nur noch rd. 40 Jugendliche der Hilfen zur Erziehung bedürfen, so dass der Finanzbedarf mittelfristig deutlich gesenkt werden kann.