Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.
Der Bundestag hat nun am 15.10.2015 das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher verabschiedet, welches am 01.11.2015 -und damit wesentlich früher als erwartet- in Kraft tritt. Die Ausgangslage ist dabei bekannt: belastete Jugendämter und Kommunen an den Einreiseknotenpunkten von jungen Flüchtlingen und eine massive Zunahme insbesondere in den letzten Monaten sowie prognostisch auch in der Zukunft. Das Gesetz versucht nun durch ein bundesweites Verteilungsverfahren, die Problemlage in den Grenzregionen zu entschärfen und in die „Fläche“ zu verteilen. Das Primat der Jugendhilfe bleibt dabei bestehen. Weitere Bestandteile des Gesetzentwurfes sind zudem eine Verbesserung der Datenlage in Bezug auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die nun endlich vollzogene Anhebung der Altersgrenze zur Verfahrenshandlung nach dem Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz von 16 auf 18 Jahren und eine Klarstellung der Inanspruchnahmevoraussetzungen von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe durch ausländische Kinder und Jugendliche.
Besonders relevant für die Stadt Eschweiler sind die Regelungen des neu eingefügten § 42 a SGB VIII; die sogenannte „Vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise“ (siehe auch Anlage 1- Gesetzessynopse des Deutschen Instituts für Jugend und Familienhilfe). Durch den Dienstsitz der Bundespolizei im Stadtgebiet wird das Jugendamt Eschweiler für diese Aufgabe zuständig; die Stadt Eschweiler ist ein sogenannter Einreiseknotenpunkt.
Was bedeutet das konkret?
In einem Zeitraum von 7 Werktagen muss durch das
Jugendamt ein sogenanntes Screeningverfahren durchgeführt werden, in dem u.a.
folgendes geklärt wird (vgl. Anlage 2, Arbeitshilfe des Bundesfachverbandes
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. zur vorläufigen Inobhutnahme):
·
Würde das
Wohl des Minderjährigen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens
gefährdet, im Hinblick sowohl auf die physische als auch auf die psychische
Belastung?
·
Halten
sich verwandte Personen im Inland oder im Ausland auf?
·
Erfordert
das Wohl des Minderjährigen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder
anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen?
·
Schließt
der Gesundheitszustand des Minderjährigen die Durchführung des
Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen
Inobhutnahme aus? Hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser
Einschätzung entscheidet dann das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder
des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.
Grundsätzlich sind zudem u.a. die
Alterseinschätzung und natürlich die Unterbringung in einer passenden
Einrichtung durchzuführen. Zudem ist während der vorläufigen Inobhutnahme die
rechtliche Vertretung sicherzustellen. Diese soll organisatorisch und personell
eigenständig sein und wird daher durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des
Bereiches Vormundschaften ausgeübt. Das Gesetz sieht zudem vor, dass die jungen
Flüchtlinge nach dem Abschluss des Verteilungsverfahrens zum neu zuständigen
Jugendamt durch eine insofern geeignete Person begleitet und der Fachkraft des
Jugendamtes dort übergeben werden.
Das Verteilverfahren selbst soll dann spätestens
nach einem Monat abgeschlossen sein; danach ist auch keine Umverteilung mehr
möglich. Das Jugendamt der vorläufigen Inobhutnahme bleibt dann dauerhaft
zuständig.
Änderungen sieht das Gesetz auch im Bereich der
Kostenerstattung vor; hier wird zukünftig für die Erstattungsansprüche nur noch
das jeweilige Bundesland zuständig sein. Bislang wurde der überörtliche
Kostenerstatter durch das Bundesverwaltungsamt bestimmt, was sehr
unterschiedliche Abrechnungsmodalitäten und damit hohen bürokratischen Aufwand
zur Folge hatte.
Die aktuelle Situation
Derzeit werden wöchentlich Jugendliche durch die
Bundespolizei aufgegriffen und dem Jugendamt Eschweiler übergeben; oft am
Wochenende im Rahmen des Bereitschaftsdienstes. Zwei Monate nach
Betriebsaufnahme der Bundespolizeiwache in Eschweiler wurden somit bereits 52
unbegleitete, minderjährige Ausländer durch das Jugendamt Eschweiler Inobhut
genommen (Stand 28.10.2015). Die Jugendlichen stammen oft aus Guinea, Eritrea,
aber auch aus Syrien und Afghanistan und reisten in Gruppen von bis zu 9
Personen ein. Die Arbeitsbelastung im Jugendamt und insbesondere im Bereich der
Abteilung 511 und der Vormundschaften hat damit, wie zu erwarten, stark
zugenommen.
Problematisch ist zwischenzeitlich, dass keine
Unterbringungsmöglichkeiten in Jugendhilfeeinrichtungen mehr zur Verfügung
stehen. Teilweise sind daher Jugendliche in den Erstaufnahmeeinrichtungen
untergebracht und werden dort ambulant betreut.
Weitere Handlungsschritte
Schwerpunkt der derzeitigen Aktivitäten ist die
Schaffung neuer Unterbringungsplätze. Vor allem für den Aufgabenbereich der
vorläufigen Inobhutnahme wird derzeit intensiv zusammen mit dem Haus St. Josef,
Kinder- Jugend- und Familienhilfe an der Umsetzung eines entsprechenden
Konzeptes gearbeitet; weitere Betreuungsplätze sind zudem in Planung.
Ein aktueller mündlicher Bericht zur Situation und
den weiteren Aktivitäten sowie ergänzende Angaben zum Gesetz zur Verbesserung
der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und
Jugendlicher erfolgt in der Ausschusssitzung.
Die Haushaltsmittel für diesen Aufgabenbereich sind im Produktsachkonto 063630101- 53320800 (Aufwendungen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) veranschlagt. Im Haushaltsjahr 2015 wurden hierzu Mittel in Höhe von 2.501.500,- Euro eingestellt.
Aufgrund der gesetzlich normierten Fallzahlobergrenze sowie der neuen Tätigkeit der sogenannten „rechtlichen Vertretung“ im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme ergibt sich ein Personalbedarf im Bereich der Amtsvormundschaften (vgl. Vorlage 303/14).