Betreff
Gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen in Eschweiler nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG);
hier: Bericht zur Anfrage der SPD-Stadtratsfraktion vom 08.06.2015
Vorlage
222/15
Art
Kenntnisgabe öffentlich

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.

 


Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Eschweiler hat am 08.06.2015 eine Anfrage an die Verwaltung mit der Überschrift „Gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Eschweiler“ (Anlage) gestellt.

 

Mit Blick auf die rechtliche Würdigung der Thematik bedarf es zunächst einer Präzisierung der Begrifflichkeiten zu den leistungsberechtigten Personen. „Flüchtlinge“ sind Menschen die aus unterschiedlichsten Gründen ihr Heimatland verlassen und nach Deutschland kommen. Hier gibt es dann komplizierte Differenzierungen nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und dem Asylverfahrensgesetz (AsylVerfG).

 

Ähnlich kompliziert stellt sich die sozialleistungsrechtliche Würdigung des Personenkreises dar. Vereinfacht kann für die Thematik „Gesundheitliche Versorgung“ festgehalten werden, dass Flüchtlinge die leistungsberechtigt nach den Sozialgesetzbüchern II[1] oder XII[2] sind einen Krankenversicherungsschutz haben. Speziell zu betrachten ist –  so auch die Intention des o.a. Antrages – der Personenkreis der unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) fällt. Die Folgende Einschätzung der Verwaltung zum Thema „Gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen in Eschweiler“ wird deshalb ausschließlich Bezug auf diesen Personenkreis nehmen.

 

Das AsylbLG kennt drei Leistungsarten: - Grundleistungen (§ 3 AsylbLG), - privilegierte Leistungen analog SGB XII (§ 2 AsylbLG) und – eingeschränkte Leistungen (§ 1a AsylbLG). Die gesundheitliche Versorgung der unter § 2 AsylbLG fallenden Personen ist anders organsiert als bei den beiden anderen Personenkreisen.

 

Bei leistungsberechtigen Personen nach § 2 AsylbLG ist die gesundheitliche Versorgung über § 264 Abs. 2 S. 1 SBG V[3] geregelt. Die Krankenbehandlung wird durch eine Krankenkasse nach Wahl übernommen. Diese rechnet alle tatsächlich entstandenen Kosten mit dem Leistungsträger Stadt Eschweiler ab und bekommt eine Verwaltungspauschale für die Bearbeitung dieser Fälle in Höhe von 5% der tatsächlich entstandenen Kosten. Der Leistungsträger hat keinerlei Einblick/Einfluss auf die durch die entsprechende Krankenkasse gewährten Leistungen, die behandelnden Ärzte sind bei diesem Personenkreis nicht budgetiert[4], d.h. die leistungs-berechtigten Personen nach § 2 AsylbLG unterliegen nicht der gesetzlichen Krankenversicherung, die Krankenkassen übernehmen die organisatorische Leistungsabwicklung von sog. „Nicht-Versicherten“ nach Auftrag durch die Leistungsträger. Dieser „Auftrag“ ist allerdings für den Personenkreis im § 264 SGB V gesetzlich normiert, der Leistungsträger hat keine Alternative.

 

Bei leistungsberechtigten Personen nach §§ 3, 1a AsylbLG ist die gesundheitliche Versorgung über den § 4[5] in Verbindung mit § 6[6] AsylbLG geregelt. Die Vorschriften zur gesundheitlichen Versorgung (§ 4 und § 6) sind bei den ab 1. März 2015 geltenden neuen  Regelungen des AsylbLG unangetastet geblieben.

Zunächst ist der Personenkreis nach § 3 AsylbLG zu betrachten. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG können nach einem Aufenthalt von 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechungen und wenn sie nicht ihren Aufenthalt in Deutschland rechtsmissbräuchlich verlängert haben, Leistungen entsprechend dem SGB XII beziehen (§ 2 AsylbLG)[7].

 

Der Personenkreis nach § 1a AsylbLG (Einreise zum Zweck des Leistungsbezuges oder aktives Verhindern aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch fehlende Mitwirkung) unterliegt im gesamten Leistungszeitraum ausschließlich der gesundheitlichen Versorgung nach § 4 in Verbindung mit § 6 AsylbLG.

 

Für diese beiden Personenkreise fungiert der Leistungsträger (hier Stadt Eschweiler) praktisch wie eine Krankenkasse. Organisatorisch haben die Leistungsempfänger vor Arztbesuchen einen Krankenschein beim zuständigen Sachbearbeiter in Empfang zu nehmen. Diese Krankenscheine (Anhang) schränken die Arztwahl auf das Gebiet der StädteRegion Aachen (einschließlich Stadt Aachen) ein. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Anfahrten zu Ärzten in andere Regionen Deutschlands gesetzlich keiner Finanzierung unterliegen und von den Hilfeempfängern selbst getragen werden müssten. Es sind außerdem in der StädteRegion Aachen auch alle Variationen von Fachärzten ansässig, im begründeten Ausnahmefall wird allerdings auch eine Sondererlaubnis als Alternative vorgesehen. Der Krankenschein wird grundsätzlich nach Vorlage eines Arzttermins ausgehändigt. Auf dem Krankenschein sind gewisse Leistungen der Ärzte genehmigungspflichtig. Es handelt sich um die gleichen Einschränkungen die ein gesetzlich Krankenversicherter auch bei einer Krankenkasse genehmigen lassen muss (z.B. Zahnersatz, Therapien etc.). Weiterhin unterliegt die Überweisung zu einer fachärztlichen Behandlung der Genehmigung durch den Leistungsträger. Medizinische Fragestellungen (z.B. ist eine spezielle Behandlung aufschiebbar, ist der Heil-und Kostenplan bei Zahnersatz angemessen etc.) werden zwecks Fachexpertise an das Gesundheitsamt StädteRegion Aachen weiter geleitet.

 

Die bei der Behandlung des Personenkreises entstehenden Kosten werden im Rahmen einer vertraglichen Regelung über das Deutsche Dienstleistungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH (DDG) in Essen geprüft und abgerechnet. Die in diesem Rahmen anfallende Bearbeitungsgebühr beträgt 1% der tatsächlich abgerechneten Kosten. Diese Organisationslösung hat sich seit vielen Jahren bewährt (erster Vertragsschluss schon 1995). Hier prüft und rechnet ein inhaltlich geschulter Dienstleister für die Stadt Eschweiler ab. Es wird kein zusätzliches Personal (was auch noch speziell ausgebildet werden müsste) in der eigenen Verwaltung durch diese Aufgaben gebunden, unberechtigte Leistungserbringung wird nicht abgerechnet.

 

Zusammengefasst:  - die beschriebenen Personenkreise haben den gleichen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung wie der gesetzlich Krankenversicherte, - die Organisation des Zugangs zur gesundheitlichen Versorgung und die entsprechende Abrechnung  der Leistung ist in Eschweiler mit einem geringen Personaleinsatz (im Rahmen der allgemeinen Sachbearbeitung AsylbLG) und einem im Vergleich zu Krankenkassen wesentlich günstigeren Kostenaufwand geregelt.

 

 

 

Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des AsylbLG zum 01.03.2015 ist insbesondere im Bundesrat das sog. „Bremer Modell“[8] favorisiert worden, letztlich aber nicht ins Gesetz übernommen worden. Die im Bundesland Bremen eingeführte „Elektronische Gesundheitskarte“ ist Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bremen/ Bremerhaven und der AOK auf Basis des § 264 Abs. 1 S. 1 SGB V[9] gesetzlich begründet. Dort bekommen Personen mit Leistungsbezug nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz eine  Krankenkassen-Chipkarte der AOK. Jede leistungsberechtigte Person erhält eine eigene Karte. Zur Zeit stellt die AOK Bremen alle Karten um auf die elektronische Gesundheitskarte. Die AOK übernimmt in diesen Fällen nur die Durch-führung der Krankenbehandlung, es entsteht keine "echte" Mitgliedschaft bei der AOK. Betroffene Personen erhalten weiterhin Leistungen der Gesundheitsversorgung auf Basis des § 4 in Verbindung mit § 6 AsylbLG. Das bedeutet, die AOK Bremen ist mit der organisatorischen Abwicklung der Gesundheitsversorgung auf Basis des AsylbLG beauftragt worden, erhält damit – wie bei § 2 AsylbLG-Fällen – die tatsächlich ausgegebenen Kosten durch den Leistungsträger erstattet. Die AOK Bremen berechnet als „angemessenen Verwaltungsaufwand“ 10€ pro Hilfeempfänger/pro Monat.[10]

 

In der Gesamtbewertung kommt die Verwaltung zum Ergebnis, dass sich die bisher in Eschweiler praktizierte Verfahrensweise im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung AsylbLG bewährt hat. Es gibt keine anhängigen Beschwerden, Widersprüche oder Sozialgerichtsverfahren gegen die Stadt Eschweiler im Bedingungsfeld „Gesundheitliche Versorgung von Asylbewerbern“, die Personaleinsatz ist optimiert geregelt, die eingekaufte Dienstleistung der Abrechnung der erbrachten Leistungen ist kostengünstiger als das „Bremer Modell“.

 

Die Verwaltung trägt im Verlauf der Sitzung die komplexen Zusammenhänge noch einmal unterstützt durch eine Präsentation (im Anhang beigefügt) vor.

 

 



[1] SGB II= Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)  - Grundsicherung für Arbeitsuchende -                          

[2] SGB XII= Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII)  - Sozialhilfe -                              

[3] SGB V= Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung -

[4] Im deutschen Gesundheitswesen bezeichnet die Budgetierung eine Maßnahme, die gesetzlich festlegt, dass pro Kalenderjahr in einem bestimmten Ausgabenbereich für alle Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur eine Geldmenge ausgegeben werden darf, die derjenigen des Vorjahres entspricht und um den Prozentsatz der Grundlohnsummensteigerung angepasst werden kann (Einnahmenorientierte Ausgabenpolitik). Um dies zu erreichen, gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität: Steigende Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen sollen dadurch begrenzt werden.

[5]Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt

 

§ 4 AsylbLG                            Fassung ab 01.06.1997

 

(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

 

(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

 

(3) Die zuständige Behörde stellt die ärztliche und zahnärztliche Versorgung einschließlich der amtlich empfohlenen Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen sicher. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.

 

[6] Sonstige Leistungen

 

§ 6 AsylbLG                            Fassung ab 18.03.2005

 

(1) Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren.

 

(2) Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24  Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt.

 

[7] Vgl. hier die Ausführungen zur gesundheitlichen Versorgung von § 2 AsylbLG Fällen

[8] Neben Bremen regelt auch das Bundesland Hamburg die Gesundheitsversorgung entsprechend seit 2012 über die AOK Bremen(hierzu in der Anlage ein Bericht von „ZEIT ONLINE“ beigefügt)

 

[9] Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung

§ 264 SGB V                          Fassung ab 01.01.2012

(1)     Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird.

(2)      

[10] Eine Vergleichsberechnung der allein durch die Verwaltungskosten entstehenden Auslagen für Berlin ist beispielhaft angefügt: Beispiel Berlin/reine Verwaltungskosten

Kosten der Chipkarte nach Bremer bzw. Hamburger Vorbild

Legt man die durchschnittlichen Ausgaben in 2006 - 2011 für alle Krankenhilfearten zugrunde, erhielte

die AOK bei der bisherigen Provision von 5 % der Behandlungskosten etwa 88 € (5 % von 1760

€/Jahr/Person Bund) bzw. 77 € (5 % von 1530 € Jahr/Person Berlin) Jahr.

Nach dem "Bremer Modell" betragen die Verwaltungskosten hingegen 10 €/Person/Monat. Mit 120

€/Jahr wären dies in etwa 50 % mehr als bisher. Bei angenommen 7675 Leistungsberechtigten und

angenommenen Krankenhilfeausgaben von 1600 €/Jahr wären dies statt bisher 614.000 künftig

921.000 €.


Sachkonto 53380500/Jahresergebnis 2013= 385.590,17€, 2014= 400.700,35€, Ansatz 2015= 510.000€, Ist Ergebnis Rechnungsjahr 2015(Stand 30.07.2015)= 453.006,18€. Die weitere Entwicklung auf dem Sachkonto ist prognostisch stark ansteigend durch die sehr hohen Neuzuweisungen von Asylbewerbern.

 


Aktuell wird die Bearbeitung der Krankenhilfe gem. AsylbLG im Rahmen der allgemeinen Sachbearbeitung durch das zuständige Personal geleistet und die Abrechnungsmodalitäten DGG im Rahmen der Aufgaben-wahrnehmung der Innenrevision erfüllt. Eine mögliche Änderung des Verfahrens, führt in Eschweiler zu keiner Entlastung des Personals.